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Gemeinsame Aufgaben und Möglichkeiten säkularer und christlicher Sehgeschädigtenorganisationen in einer sich wandelnden Welt - 5.5

5.5
Herbert Tigges, Geschäftsführer
Für das Deutsche Blindenhilfswerk "Blinde helfen Blinden"

  

1. Eine Kooperation des DBHW mit anderen Selbsthilfeorganisationen bzw. Hilfsorganisationen oder Gruppierungen anderer Art, die mit Blinden und Sehbehinderten oder für Blinde und Sehbehinderte arbeiten, ist schwierig: Es gibt eine hohe Anzahl von Selbsthilfe- und Hilfsgruppierungen. Wollte man mit ihnen allen einen systematischen Kontakt pflegen, so benötigten diese Kooperationen einen hohen Zeitaufwand. Möglicherweise wäre eine Art Koordinierungsbüro oder auch so etwas wie ein "Sehgeschädigtenparlament" eine Hilfe; wir gehen davon aus, dass auch andere kleinere Gruppierungen und Vereine ähnliche Probleme sehen. Gäbe es eine Anlaufstelle, so wäre der Kooperationsaufwand sicherlich geringer. Um die politische Brisanz von vorn herein herauszunehmen, betone ich ausdrücklich, dass auch eine bereits existierende Gruppierung (wie zum Beispiel der DBSV) eine solche Koordinierungsstelle darstellen könnte. Die anderen Gruppierungen sollten dann sehr wohl den DBSV entsprechend autorisieren.

  

2. Wie in den mittel- und westeuropäischen Gesellschaften allgemein, ist auch bei blinden Menschen die Tendenz auf eine immer mehr wachsende Individualisierung zu beobachten (der Umstand einer ebenfalls beobachtbaren Vermassung auf einigen Gebieten spricht nicht gegen die Richtigkeit dieser Beobachtung oder gar These).
Eine solche Individualisierung ist politisch und gesellschaftlich gewollt, zumindest gestattet und ist im Christentum in den individuellen Klagepsalmen des alten Testaments zu finden. Diese Tendenz hat aber die Folge, dass Bitten um Hilfe oft selbst dann nicht mehr koordiniert werden, wenn eine Koordinierung möglich wäre. Wenn beispielsweise eine Bitte um Unterstützung von einer Person aus einer bestimmten Stadt kommt und wenig später gleiche oder ähnliche Bitten aus der gleichen Stadt kommen, sodann die Rückfrage gestellt wird, ob man sich schon einmal kurzgeschlossen habe, so hören wir häufig die Antwort: die anderen kenne ich gar nicht. Wir sehen hieraus: eine Mitgliedschaft in einem örtlichen Blinden- und Sehbehindertenverein ist beileibe nicht mehr selbstverständlich. In Duisburg rechnet der Vorsitzende mit einer doppelt so hohen Anzahl blinder Einwohner, wie Mitgliedschaften im Blinden- und Sehbehindertenverein Duisburg zu verzeichnen sind.

  

3. Ein wenig konträr zu der in Punkt 2. beschriebenen Beobachtung läuft die Erfahrung, dass ab und an gleichwohl die Gruppenorientierung vor einer individuellen Handlung Vorrang zu haben scheint. So kommt es vor, dass Verantwortungsträger aus guten Gründen die Bündelung von Einzelinteressen vorschlagen, um Forderungen mehr Druck zu verleihen. Ist dieser Druck dennoch nicht ausreichend, um bei Mandatsträgern erfolgreich zu sein, wird diese oder jene Handlung trotzdem nicht zu dem Zweck an die Individuen zurückverwiesen, selbst für sich zu entscheiden, ob man Vorstöße machen will oder nicht. Man erwartet offenbar hier die Handlungsmaxime doch vornehmlich bei der Selbsthilfe anzusiedeln und nicht bei dem einzelnen Betroffenen.

  

Zu den in der Einladung geäußerten Fragen bemerke ich:
  

Was tun wir in unserem Bundesland schon jetzt gemeinsam?

  

Sporadisch und insofern unsystematisch informieren sich manche Gruppen oder stellen Informationsfragen oder sprechen Bitten aus. Eine systematische Zusammenarbeit gibt es de facto nur mit dem örtlichen Blinden- und Sehbehindertenverein Duisburg.

  

Welche engere Zusammenarbeit wäre in Zukunft möglich oder sogar wünschenswert, oder was stünde einer solchen entgegen?

  

Die Grenze zwischen typischen Selbsthilfeunterstützungen und Hilfen durch das DBHW lässt sich nicht immer exakt ziehen. Von daher wäre eine Kooperation mit möglichst vielen lokalen Blinden- und Sehbehindertenvereinen, sowie mit den Landesverbänden innerhalb unseres Bundeslandes NW sehr wünschenswert. Derzeit bemühen wir uns insbesondere, solche Kooperationen im Bereich des Sports zu platzieren. Im Verwaltungsrat des DBHW ist seit knapp zwei Jahren ein früherer Olympiasieger im Rudern tätig. Er ist nach wie vor dem Sport sehr verbunden und versucht derzeit in Absprache mit der Geschäftsstelle des DBHW und den Sportgruppierungen innerhalb des BSNW einige Aktivitäten zu fördern. Ähnliches wünschen wir uns auch für andere Lebensfelder - insbesondere für den Bereich der Kultur.

  

Wie gehen wir damit um, dass Sehgeschädigte immer älter werden und immer mehr Menschen erst in höherem Alter einen Sehverlust erleiden?

  

Die hier geschilderten Erfahrungen älterer Menschen erfordern eine hohe Sensibilität insbesondere auf Seiten derer, die mit älteren Menschen sozusagen als Erste zu tun haben. Dies sind bei Späterblindungen nicht direkt Blindenvereine, sondern Angehörige, Nachbarn, Kirchengemeinde etc. Wir sehen hier die Notwendigkeit auf Seiten der örtlichen Blinden- und Sehbehindertenvereine, sich selbst sozusagen als Anbieter von wichtigen begleitenden Maßnahmen psychischer Art ins Spiel zu bringen. Mit anderen Verantwortungsträgern ist dabei sehr behutsam zu überlegen, ob im Namen der örtlichen Blindenvereine, aber nicht direkt durch Vertreter derselben ein Erstkontakt hergestellt wird. Es kann sehr wohl schockierend sein, wenn Vertreter von Blindenvereinen kommen und sich infolgedessen der ältere Mensch sagt: aha, gehöre ich nun zu denen? Wenn der Erstkontakt zu Fragen von Hilfsmitteln von anderen Personen ausgeht und diese im Zuge ihrer Hilfe dann langsam den Blindenverein sozusagen einführen, wäre der Forderung nach behutsamer Umgehensweise eher Rechnung getragen.

  

Wie gehen wir weiter damit um, dass jüngere Sehgeschädigte immer weniger bereit sind, die förmliche Mitgliedschaft in einer Organisation zu erwerben?

  

Diese Frage betrifft nicht nur blinde Menschen, sondern ist in unserer Gesellschaft inzwischen durchgängiges Problem. Hier sehe ich eine ähnliche Bedeutsamkeit wie im pädagogischen Prozess allgemein: Wenn aus Kindern Jugendliche werden, erhalten die Eltern eine neue Funktion; metaphorisch gesagt: eine "Kleiderschrankfunktion". Einen Kleiderschrank himmelt man nicht an, er muss aber vorhanden sein, und für alle Notfälle muss man auf ihn zurückgreifen können. Aber man kommuniziert nicht laufend mit ihm. So sehe ich auch in dieser hier gestellten Frage als einzige Antwortmöglichkeit das Erfordernis, jederzeit deutlich zu machen, dass Hilfe abrufbar ist, auch wenn sie kaum oder nie abgerufen wird.

  

Wie könnten wir verstärkt darauf hinweisen, dass es uns gibt und welche Dienste wir anbieten können?

  

Dies ist eine Frage nach professioneller Medienarbeit. Diese Arbeit wird - auch sicher von uns - häufig unterschätzt. Andererseits gibt es große Organisationen wie die CBM, die über hervorragende Apparate im Bereich der Kommunikationspflege verfügen. Doch lässt sich natürlich nicht selbstverständlich auf diese CBM-Instrumentarien zurückgreifen, da Anliegen wie oben beschrieben sich nicht vollends decken. Vielleicht kann hier das oben postulierte Koordinierungsbüro eine wichtige Aufgabe erhalten. Ich habe den Eindruck, dass hier jeder für sich sein Bestes tut, die Summe dieser Versuche aber noch nicht die Blindheit so ins Bewusstsein ruft, dass eine größere Aufmerksamkeit gegeben wäre. Im Gegensatz zu anderen Behinderungen ist diejenige der Blindheit beileibe nicht so auffallend. Somit muss hier in der Bewusstseinsbildung mehr getan werden.

  

Wissen wir schon, wie wir mit Sehgeschädigten aus anderen Kulturen umgehen können?

  

Die bescheidene Erfahrung des DBHW sieht wie folgt aus: entweder funktioniert eine Integration unglaublich gut oder eben unglaublich schlecht. Beide Extreme kommen häufiger vor als bei vielen Nichtbehinderten. Funktioniert eine Integration "unglaublich gut", so ist damit jedoch als Kehrseite auch die Entfernung von der eigenen Wurzel verbunden. Die von Herrn Dr. Schulze vorgeschlagene Hilfe beim Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend abzurufen, ist ein sehr hilfreicher Vorschlag. Nach erfolgreicher Absolvierung bestimmter Kurse und Trainingsmaßnahmen ist allerdings dann weiter zu überlegen, wie denn das "normale Leben" in neuer Heimat, unter Wahrung der Wurzeln der alten Heimat, weiterhin gelingen kann. Hier werden neue Kooperationen notwendigerweise ins Blickfeld kommen, die diejenigen innerhalb der Blindenszene selbst noch einmal überschreiten. Hier bedarf es sicherlich eigener Strategien.

  

Benutzen wir gemeinsam die Möglichkeiten, um mit einer Stimme zu sprechen?

  

Hier ist lediglich der Vorschlag zu wiederholen, ein Koordinierungsbüro oder eine Art "Blindenparlament" einzurichten. Auch wenn sich manche Vorschläge recht naiv anhören mögen - ein Blindenparlament lässt sich nicht so einfach mal gerade einrichten -, so ist dennoch auf der Basis Ihrer Fragen und der eigenen Erfahrungen das Eine oder Andere zu schlussfolgern.

  

An einem weiteren Kommunikationsprozess über diese Fragen sind wir sehr interessiert.

  

Für Rückfragen stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.

  

  

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