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"Blinde Kuh" spielen

  

Wie das Gehirn reagiert, wenn man 5 Tage lang unter der Augenbinde lebt, lesen Sie hier:

  
Wie wirken fünf Tage völliger Dunkelheit?
Von FOCUS-Redakteur
Werner Siefer
  
Die Nervenzellen verändern sich, wenn man die Augen für fünf Tage verbindet.
Wer im Spiel eine Binde um die Augen bekommt, der wird zur Blinden Kuh. Er torkelt unbeholfen umher, verliert rasch die Orientierung, und wenn der Zeitvertreib zu Ende ist, dann sieht er, dass alles ganz anders ist als in der Schwärze um die Augen ausgemalt. Was aber passiert, wenn jemand eine Binde fünf Tage lang nicht mehr abnimmt? Wie wirken 120 Stunden in völliger Dunkelheit auf die Augen - und auf das Gehirn?

  
Ein solcher kontrollierter Blinde-Kuh-Versuch läuft seit einigen Jahren an der Harvard-Universität in Boston. Zur Beruhigung der Probanden konnten alle danach wieder sehen. Die Forscher waren überrascht zu erkennen, wie schnell das Gehirn auf das Abschalten eines Sinnes reagiert, indem es sich auf die neue Situation umstellt - was ja auch eine Form des Lernens ist. Erreichen die Augen keine Lichtsignale mehr aus der Umwelt, suchen sich die dahinter liegenden Nervenzellen ganz rasch andere Aufgaben. So kommt es, das die Blinde-Kuh-Probanden schon nach fünf Tagen mehr Gefühl in den Fingern hatten, besser riechen oder hören konnten.

 

  
Blinde-Kuh-Kino
  
Die erblindeten Versuchsteilnehmer berichteten außerdem von seltsamen Wahrnehmungen in den Augen. Einzelne Sternchen tanzten in ihrem Blickfeld, manchmal rotteten sie sich zu ganzen Galaxien zusammen. Von fluoreszierenden, schlängelnden Spermien war die Rede, von im Kleinen explodierenden Feuerwerkskörpern oder Gestalten von Schiffen, Autos oder Häusern, die sich wie hinter Nebelschwaden kurz zeigten, um rasch wieder zu verschwinden. Manchmal waren die Figuren symmetrisch, dann leuchteten sie wie Blitze auf, um schnell wieder zu verschwinden.

  
Diese Phänomene stellen wohl eine Botschaft der Sehzellen in den Augen an das Denkorgan dar: Wir sind noch vorhanden, wollen sie sagen, bitte nicht abschalten! Dass das künstliche Erblinden tatsächlich umfangreiche Umbauvorgänge im Denkorgan auslöst, konnten die Harvard-Forscher im Hirnscanner belegen. Lernten die Blinden Kühe die Braille-Tastschrift, waren sie nach den fünf Tagen weitaus besser darin, als sehende Kontrollpersonen. Andere konnten den Ort einer Schallquelle besser lokalisieren oder treffender entscheiden, wie sich die Höhe eines Tones veränderte.

  
Nun kann jeder lernen, der eine schneller, der andere langsamer. Doch erstaunlicherweise steckten hinter den herausragenden Lernleistungen ausschließlich die arbeitslos gewordenen Neuronen des visuellen Kortex. Dabei handelt es sich um jene Bereiche im Gehirn, die sich mit der Analyse der Sehinformationen beschäftigen. Inaktivierten die Hirnforscher diese Gebiete kurzfristig mit einer magnetischen Spule, so wurden damit gleichzeitig alle Lernfortschritte zunichte. Sehzellen können also genauso umschulen, wie der Mensch. Das Gehirn ist da generell nicht festgelegt.

  

    

   



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