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Alfred Bielschowsky

Dr. Katrin Kaufmann

Alfred Bielschowsky
1871-1940

Blick für die Bedürfnisse Blinder


Deutsche Blindenstudienanstalt gedenkt ihrem Mitbegründer Professor Alfred Bielschowsky

Am 11. Januar 2002 wurde in Marburg an der Lahn ein Alfred Bielschowsky -Haus mit der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel eingeweiht. Die Deutsche Blindenstudienanstalt erinnert an ihren Gründer Professor Dr. Alfred Bielschowsky. Das Haus wird der Rehabilitation Blinder und Sehbehinderter dienen und die segensreiche Frühförderungsabteilung beherbergen. Alfred Bielschowsky würde sich sicherlich sehr freuen, zu sehen, wie sich seine Visionen weiterentwickelt haben.

Zu seiner Person:

Alfred Bielschowsky wurde 1871 in Niederschlesien als Sohn jüdischer Eltern geboren. Das Abitur bestand er 1889 am Katholischen Gymnasium zu Glatz. In Breslau begann er das Medizinstudium, wechselte bald nach Heidelberg und dann nach Berlin. In Berlin wurde er 1893 im Fach Chirurgie promoviert und beendete sein Studium in Leipzig. Es folgte der einjährige Militärdienst.

Seine ophthalmologische Ausbildung begann 1895 bei Hubert Sattler und dem Physiologen Ewald Hering in Leipzig. Hier wurden die Weichen für seine wissenschaftliche Zukunft als Spezialist für Schielerkrankungen gestellt. 1900 habilitierte er sich in Leipzig für das Fach Augenheilkunde. In den folgenden Jahren profilierte er sich als hervorragender Hochschullehrer und Wissenschaftler. 1906 zum außerordentlichen Professor ernannt, war er von 1906 bis 1912 leitender Oberarzt der Leipziger Augenklinik.

In Leipzig heiratete er die Reichsgerichtsratstochter Frieda Johanna Blume. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. 1912 erhielt Alfred Bielschowsky den Ruf auf den Marburger Lehrstuhl für Augenheilkunde, als Nachfolger von Professor Ludwig Bach. Nach ausführlicher und erfolgreicher wissenschaftlicher Tätigkeit in Leipzig erwarteten Bielschowsky in Marburg völlig andere Aufgaben.

Nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde seine ganze Kraft gefordert, um die vielen schwer verwundeten und erblindeten Soldaten zu versorgen. In der Marburger Augenklinik wurden durch den Reserveoffizier Bielschowsky 36 Betten für die durch Granatsplitter und Giftgas verletzten jungen Männer eingerichtet. Im Vordergrund stand zunächst die augenärztliche Versorgung der Verwundeten. Für Bielschowsky wurde aber auch sehr schnell klar, dass den jungen Erblindeten, die vor dem Kriege so hoffnungsvolle Berufsaussichten gehabt hatten, auf psychosozialem Gebiet geholfen werden musste. Er nahm seine Herausforderung an und sorgte umfassend für die Bedürfnisse der Erblindeten, die ohne Förderung dem Schicksal der Bettelei, bestenfalls der Korbflechterei und Bürstenmacherei, ausgeliefert gewesen wären. Zu ihrer emotional schwierigen Situation wäre auch noch die Armut gekommen.

Zunächst musste eine Möglichkeit geschaffen werden, die jungen Kriegsblinden die Blindenschrift nach Louis Braille zu lehren. Für Lehraufgaben konnte Bielschowsky den stark sehbehinderten Studenten der Philologie und Volkswirtschaft in Marburg, Carl Strehl gewinnen. Carl Strehl hatte als 19-Jähriger durch ein Explosionstrauma fast seine gesamte Sehkraft verloren und nur durch eiserne Disziplin die Voraussetzungen für sein Philologie- Studium schaffen können. Aus eigener Erfahrung in der Schweiz kannte er das Blindenbildungswesen und dessen Organisationsstrukturen. Er wurde zum wichtigsten Mitstreiter Bielschowsky s.

Als nächstes mussten Unterkünfte für die jungen Männer eingerichtet werden. Dafür sorgte Bielschowsky s Frau Frieda Johanna, zunächst in der Wörthstraße. Bielschowsky legte überhaupt großen Wert auf die Mitarbeit von Frauen. Bei Mädchen-Lyzeen und Frauenvereinen warb er um deren Mitarbeit als Vorleserinnen, da die Damen nicht nur Interesse an der Sache, sondern auch die nötige Vorbildung und Energie für diese ehrenamtliche Aufgabe hatten.

Der nächste Schritt war die Gründung der Blindenbücherei, die dringend erforderlich Lehrmittel herstellen sollte. Um nicht unnötig Ressourcen zu verschwenden, wurden die Organisationsstrukturen des deutschen Blindenwesens überprüft und neu geordnet. Das Ziel war die Herstellung fachwissenschaftlicher und fremdsprachlicher Literatur in Blindenschrift, die mit reichsdeutschen und österreichischen Universitäten für die einzelnen Studiengänge abgestimmt wurden. Register über bereits vorhandene Bücher wurden erstellt. Die Zentralstelle in Marburg übernahm die verlegerische Betreuung.

Im März 1916 wurde in Marburg der Verein blinder Akademiker Deutschlands gegründet, dessen erster Vorsitzender Bielschowsky wurde. Dr. Fritz Hastenpflug war zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden. Carl Strehl übernahm die Geschäftsführung. Am 8. Oktober 1916 fand die erste ordentliche Mitgliederversammlung in Marburg statt.

Die Ziele des Vereins waren die Einrichtung einer Blindenbücherei und die umfassende Beratung der Erblindeten, bezüglich der Berufswahl, der Erreichung des Berufszieles und der späteren Ausübung der Berufstätigkeit.

Am 31. März 1917 wurde das "Institut Hochschulbücherei, Studienanstalt und Beratungsstelle für blinde Studierende" in der Universitäts-Aula eingeweiht. An den Feierlichkeiten nahmen Vertreter der Königlich Preußischen Regierung, des Preußischen Kriegsministeriums, des Ministeriums für geistliche und Unterrichts-Angelegenheiten (heute würde das Kultus- oder Hochschulministerium genannt), Repräsentanten der Universität und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teil. Sogar General- Feldmarschall von Hindenburg sandte ein Grußwort.

Bei diesem Festakt wurde Alfred Bielschowsky von seiner Excellenz, dem wirklichen Geheimrat Dr. von Bremen das Verdienstkreuz für Kriegshilfe verliehen. Herr Geheimrat Dr. von Bremen war Ministerialdirektor des Preussischen Ministeriums und außerdem Vorsitzender des Vereins Hochschulbücherei, Studienanstalt und Beratungsstelle für blinde Studierende. Später wurde Alfred Bielschowsky noch durch die Verleihung des Titels "Geheimer Medizinalrat" durch den König von Preußen geehrt.

Heute ist aus dem Institut die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. geworden, und diese ehrt Professor Alfred Bielschowsky, der mit seinem organisatorischen Geschick und seinem Weitblick die Anfänge gestaltete und somit Marburg zum Zentrum des Deutschen Blindenbildungswesen gemacht hat.

1923 wurde Bielschowsky an die Universität Breslau berufen und war dort bis zum April 1933 als Kliniksdirektor tätig. Er wurde der unbestrittene Papst der Schielbehandlung und Neuroophthalmologie und blieb es auch nach seiner Entlassung aus dem Dienst wegen seiner jüdischen Abstammung Die politischen Veränderungen in Deutschland veranlassten Alfred Bielschowsky, seine Lehr- und Forschungstätigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika fortzuführen. Dort wurde sein unschätzbares Wissen und seine hervorragenden didaktischen Fähigkeiten mit großer Begeisterung und Dankbarkeit aufgenommen. Einflussreiche Ophthalmologen verhalfen ihm zu einem Neubeginn in New Hampshire, wo 1937 für Alfred Bielschowsky das Dartmouth Eye Institut gegründet wurde.

Der große Wissenschaftler und Ophthalmologe, der persönlich bescheiden und zurückhaltend war und sich bei seinen Patienten und Kollegen der größten Hochachtung erfreute, verstarb am 5. Januar 1940, 69-jährig in New York.

Sein Einfluss auf die internationale Augenheilkunde war so gewaltig, dass auch heute noch seine deutsch- und englischsprachigen Schriften zur Schielbehandlung und Neuroophthalmologie in aller Welt zu den meistzitierten gehören. Die Tagung der internationalen Fachgesellschaft werden alljährlich mit einer Bielschowsky -Lecture eröffnet und die deutsche Fachgesellschaft trägt seinen Namen.


Quelle: Horus 1/2002

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