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Ratschläge für Blinde und hochgradig Sehbehinderte auf Auslandsreisen

 

Für nützliche Hinweise danke ich den Herren Wolfgang Angermann, Andreas Bethke, Peter Brass, Helmut Kahler und Norbert Müller, die - ebenfalls blind - häufig beruflich bzw. ehrenamtlich allein auf Reisen waren.

Mein für diese Unterseite bearbeiteter Beitrag stammt aus "Reisemedizin. Beratung in der ärztlichen Praxis" von Harald Kretschmer, Gottfried Kusch, und Helmut Scherbaum, Urban & Fischer, 2005.

 

Vorbemerkungen

Der Verfasser ist seit frühester Kindheit blind. Er ist mit seinen Eltern, seiner Ehefrau, mit Freunden sowie al­lein häufig gereist. Als ehrenamtlicher Mitberater der Christoffel Blindenmission hat er auch Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas besucht. Er beherrscht die Blindenschrift und hat sich 1973/74 in der Verwendung des Langstocks trainieren lassen.

Er verwendet den Ausdruck "sehbehindert" nur für Menschen, deren Sehvermögen derart eingeschränkt ist, dass sie auch mit den heute erhältlichen, auf Reisen mitführbaren Sehhilfen nicht mehr allein lesen und sich in fremder Um­gebung nicht mehr allein zurechtfinden können. Er for­muliert seine Ratschläge so, dass der Arzt sie kopieren und betroffenen Patienten mitgeben kann.

In diesem Kapitel soll von sogenannten lebensprak­tischen Fähigkeiten wie dem Schneiden von Fleisch, dem Markieren der Kleidung usw. nicht die Rede sein. Sie sind zwar auf Reisen besonders wichtig, man braucht sie aber auch schon zum unabhängigen Leben in der eigenen Wohnung. Sehgeschädigten, die ins Ausland reisen wollen, soll vielmehr gezeigt werden, wie sie den besonderen Anforderungen gerecht wer­den können, die sich ihnen dann stellen.

 

Persönliche Voraussetzungen für alleiniges Reisen

Wohin und unter welchen Umständen wir allein reisen können, lässt sich nicht ge­nerell sagen, sondern hängt ab von unserer Gewandtheit, unserem Organisationsvermögen, unserer Fähigkeit zum Lesen von Blinden­schrift oder großer Normalschrift, unserem Training in Orientierung und Mobilität einschließlich der Nutzung unseres Sehvermögens und unseres Mut und Selbstbewusstseins.

Dabei ist auch von Bedeutung, wie schwer es uns fällt zu bekennen, wir seien sehbe­hindert oder blind und benötigten diese oder jene Hilfe.

 

Worauf sollten wir bei den Reisevorberei­tungen besonders achten?

Informationen zum Reiseland und allge­meine Verständigung

Mit einem Land, das wir besuchen wollen, können wir uns im Voraus fast ebenso leicht vertraut machen wie Sehende. Von allen Ländern gibt es Karten für Blinde und Sehbehinderte, bei der

Deutschen Zentralbücherei für Blinde
Postfach 100245
04002 Leipzig
Tel. 0341/71130

( www.dzb.de )

In Punktschrift- und Hörbüchereien gibt es Reise- und Sprachführer in Blindenschrift so­wie auf Daisy-CD. Andere Informationsmaterialien können wir uns vorlesen oder von pro­fessionellen Diensten auf Kassette lesen bzw. in Blindenschrift übertragen lassen. Daneben bieten Volkshochschulen Reisesprachkur­se an. Gerade für uns, die wir kaum nonverbal kommunizieren können, ist es wichtig, über eine Grundkenntnis der Landes- oder wenigstens einer anderen, im Reiseland verstandenen Sprache zu verfügen.
Erfahrungsgemäß erzeugt schon die alleini­ge Kenntnis einiger Höflichkeitsfloskeln in der Landessprache beim Gesprächspartner Sym­pathie; einige Wörter mehr vermögen sogar benötigte Dienste zu sichern. Hierdurch kann jedoch zuweilen auch der Eindruck erweckt werden, man beherrsche die Sprache voll­ständig, was eine gewisse Gratwanderung be­deutet.
In einem Land, dessen Sprache wir nicht be­herrschen und in dem wir uns dennoch al­lein in den öffentlichen Verkehr begeben müssen, kann es nützlich sein, ein Schild zu haben, auf dem in al­len von uns beherrschten Sprachen in großer Schrift steht, wir seien blind und benötigten Hilfe. So stellen wir sicher, dass alle, die wir daraufhin anspre­chen, sich tatsächlich mit uns verständigen können.

 

Medikamente und Kleidung

benötigen wir unterwegs verschiedene Tabletten, die uns zuhause von Angehörigen gereicht werden, so nehmen wir sie einsortiert in Wochenboxen mit, welche wir in der Apotheke bekommen.
Oberhemden und Krawatten, die zu­einander passen sollen, stecken wir in eine Plastiktüte und vermerken auf einem Zettel, zu welchem Anzug sie passen.
Besondere Vorkehrungen können geboten sein, wenn wir auf längeren Reisen in Hotels etwas in die Wäsche geben wollen. Am besten setzen wir uns, wenn wir über keinen Sehrest mehr verfügen, dieser Notwendigkeit gar nicht erst aus, sondern haben stattdessen ein Schnellwaschmittel in der Tube bei uns, um selbst etwas auswaschen zu können. Nützlich ist zudem auch ein flacher Plastikbügel zum Aufhängen über der Badewanne.
  

Notizen, Anschriften und Orientierungs­hilfen

Um Sehenden, die - z. B., im Hotel oder bei Grenzkontrollen - Formulare für uns ausfüllen sollen, nicht unnötig viel diktieren und dabei sogar buchstabieren zu müssen, führen wir am besten einen kleinen Anschriftenstempel mit uns.
Wir brauchen außerdem Utensilien zum Notieren von Telefonnummern oder dergleichen. Wichtige Anschriften, Verkehrsverbindungen, Hotelnamen etc. kön­nen wir, wenn wir auch besonders groß Ge­schriebenes nicht mehr zu lesen vermögen und die Blindenschrift nicht beherrschen, auf Kassette mitnehmen. Die Na­men der von uns gebuchten Hotels sollten wir, wenn wir Schwarzschrift nicht mehr zu lesen vermögen, auf gesondert markierten Zet­teln mit uns führen, um sie notfalls Taxifah­rern zeigen zu können!
  

Zahlungsmittel

Geld sollten wir schon hier eintauschen!
Es kann hilfreich sein, für eine fremde Wäh­rung eine eigene Geldbörse mit möglichst vielen Fächern mitzunehmen und sie schon zu Hause mit Banknoten verschiedener Werte, nach deren Größe geordnet, zu füllen. Vor allem kleinere Geldscheine und Münzen für Taxifahrten und Trinkgelder soll­ten wir reichlich mitführen. Münzen können auch zum Telefonieren au­ßerhalb unseres Hotelzimmers nützlich sein.
  

Reiselektüre, Besuche von Veranstaltun­gen und besonderen Einrichtungen

Wichtig ist genügend Lektüre mitzunehmen. Wir sollten beim Aussteigen aus dem Zug den Mitrei­senden oder dem Schaffner, beim Verlassen des Flugzeugs dem Bordpersonal erklären, dass von uns zurückgelassene Blindenzeitschriften Abfall sind; sonst werden sie uns möglicherweise nachgetragen.
Wollen wir mit dem Geschehen in der Heimat vertraut bleiben, so hilft uns ein gutes Rundfunkgerät. Wir sollten uns im Voraus über die Netz­spannung im betreffenden Land informieren, und wo nötig einen Adapter, außerdem genügend Batterien mitnehmen.
Karten für kulturelle Veranstaltungen bestellen wir soweit das möglich ist per Email unter Angabe unserer Kreditkartennummer.
Wollen wir im Ausland Organisatio­nen oder Schulen für Blinde oder Sehbehinderte kennenlernen, so können wir Anschriften erfragen unter umc@once.es bzw. sgicevi @vsnl.net.

  
Benutzung von Verkehrsmitteln
  

Mit dem Flugzeug reisen

Mit dem Flugzeug reist es sich besonders ein­fach: Meist können wir schon bei der Buchung angeben, welche besonderen Hilfen wir benötigen. Wer uns zum Flughafen bringt, kann uns bis zum Flugschalter begleiten. Schwierigkeiten können nur entstehen, wenn wir mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln anreisen.
Nach dem Einchecken sorgt das Bodenpersonal für uns. Dies gilt auch für das Passieren von Pass- und Zollkontrollen am Zielflughafen. Jedoch müssen wir darauf achten, dass man uns im Warteraum, wenn die Mitreisenden das Flugzeug besteigen, nicht übersieht. Wir nehmen akustisch wahr, wie weit sich der Raum allmählich leert, und können uns darum notfalls durch Rufen bemerkbar ma­chen.
Spätestens am Schalter bitten wir, wenn das nicht vorher schon möglich war, um einen Gangplatz; denn am Gang können die Stewardessen uns am leich­testen bedienen. Und wir können uns am einfachsten bemerkbar machen, wenn wir einen Wunsch haben: wir brauchen nur einen Arm eventuell mit einem leeren Glas in der Hand in den Gang zu strecken. Sollte uns trotzdem einmal ein Fensterplatz zugewiesen werden, wird unser Nachbar gewiss bereit sein, ihn mit uns zu tauschen.
Unterwegs erklärt die Stewardess uns gern das Essen, das sie uns serviert, schnei­det uns auch das Fleisch, wenn wir es wün­schen, und zeigt uns die Toilette, wenn wir - am besten mit unserem weißen Stock - den Gang betreten. In der Toilette lassen wir uns vorsorglich Papier, Spülung, Seife und Handtücher zeigen.
Fliegen wir mit ei­ner ausländischen Gesellschaft und beherrschen weder die Landessprache noch Englisch, so vertrauen wir darauf, dass wir uns gegenüber den Stewardessen wenigstens durch Gesten verständlich machen können.
Sind Einreiseformulare auszufüllen, so bitten wir die Stewardess, das mit Hilfe unseren Anschriftenstempels zu tun.
Unsren Koffer markieren wir mit einer farbigen Schleife, damit das Bodenpersonal ihn nach der Zoll- und Passkontrolle leicht er­kennt. Wir bitten es, uns zu einem Taxi zu bringen und, wenn wir die Landessprache nicht beherrschen, dem Fahrer zu sagen, in welches Hotel wir wollen und dass wir dort zur Rezeption gebracht werden müssten; bezahlen würden wir ihn an der Rezeption.
  

Mit der Bahn reisen

Mit Unterstützung des Behindertenservice der Deutschen Bahn (018105-512512) zu reisen ist leicht.
Wie es in unserem Reiseland damit steht, erfahren wir von der dortigen nationalen Sehgeschädigtenorganisation, auch ob wir dort eine Fahrpreisermäßigung genießen und in welcher Weise wir davon Gebrauch machen können. Die Anschrift der Organisation erfahren wir von der Weltblinden Union unter umc@once.es.
  

Ratschläge zur Bewältigung besonderer Situationen auf Reisen

  
Allein im Hotel

Bei der Buchung bitten wir um ein Zimmer möglichst nahe dem Lift. Von dem Personal, das uns unser Zimmer zeigt, lassen wir uns schon auf dem Wege erklären, wie wir den Aufzug holen und bedienen. Im Zimmer selbst lassen wir uns das Telefon, eine eventuelle Klimaanlage oder Heizung sowie Steckdosen zeigen, im Bad die Lüftung und die Handtücher. Wir fragen außerdem auch nach der Telefonnummer der Rezeption, des Roomservice und für Gespräche nach draußen. Nur den Weg zu der Rezeption und in unser Zimmer sollten wir möglichst allein gehen können. Dazu gehen wir eventuell mit dem Personal zum Lift und zurück und zählen die Türen bis zu unserem Zimmer. Sehen wir dennoch Schwierigkeiten voraus, unsere Tür zu finden, so vertrauen wir darauf, dass unser Schlüssel bzw. unsere Zimmerkarte nur zu unserem Zimmer passt. Für Karten denken wir uns vorher eine Möglichkeit aus, sie so aufzubewahren, dass wir sie richtig einschieben können.
Die Rezeption ist in der nächsten Zeit unsere erste Anlaufstelle. Sie ruft uns insbesondere ein Taxi und sorgt dafür, dass wir von ihr aus, wenn wir nicht im Zimmer frühstücken wollen, ins Restaurant gebracht und dort bedient werden. Fühlen wir uns beim Schneiden von Fleisch, beim Zubereiten von Broten oder dergleichen durch andere Perso­nen beobachtet, so bitten wir die Bedienung um Hilfe oder ersuchen um eine entsprechen­de Vorbereitung in der Küche.
Hinterlassen wir am Ende ein Trinkgeld, so wird man sich bei der nächsten Mahlzeit noch mehr um uns bemühen.
Müssen wir ein Diät einhalten, so zeigen wir dem Bedienungsper­sonal einen Zettel mit folgendem Text in der Landessprache: "Ich darf aus diätetischen Gründen folgendes nicht essen: ... (oder "Ich leide an Diabetes"). Bitte schlagen Sie mir ein Essen in....Sprache (die, die sie verstehen) vor."
  

Haben wir
Schwie­rigkeiten im Umgang mit der gebräuchlichen Währung,

so quittie­ren wir zunächst alle Leistungen und zahlen erst am Ende. Wir brauchen nicht zu befürch­ten, beim Quittieren betrogen zu werden, denn die Bedienung, die die Rechnung ausstellt, hätte vom Einsetzen überhöhter Beträge kei­nen eigenen Vorteil. Am Ende zahlen wir mit unserer Kreditkarte, erkundigen uns aber vorher, ob sie im Reiseland angenommen wird oder wir eine andere Karte benötigen.
Ein Geschäfts- oder Hotelinhaber, der uns betrügen wollte, müsste auch mit Konsequenzen der großen Kreditkartenanbieter rechnen. Sein Personal aber hätte von falschen Angaben gleichfalls keinen Vorteil.
  

Schlussbemerkung

Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Geld lässt einen Blinden sehen." Seien wir darum mit Trinkgeldern nicht kleinlich und auch nicht mit dem Entschluss, uns entgeltliche Dienste zu verschaffen, die wir vielleicht aus Sparsam­keitsgründen nicht in Anspruch nähmen, wenn wir sehen könnten. Mögen uns die vorausgegangenen Ausführungen Mut ma­chen, auch einmal allein auf Reisen zu gehen - auch um auszuloten, was wir trotz Blindheit oder Sehbehinderung leisten können.

  

  

 



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