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Maria Theresia Paradis

Maria Theresia Paradis
1759-1824

Komponistin, Pianistin und Sängerin


Die als Kind erblindete Maria Theresia Paradis erhielt u. a. Unterricht von Antonio Salieri, Leopold Kozeluch, Vincenzo Righini und dem Abbé Vogler. Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Mythos war sie kein Patenkind der Kaiserin Maria Theresia, sehr wohl erhielt sie jedoch vom Hof finanzielle Unterstützung. Sie war seit 1775 als Pianistin in Wien hoch angesehen und gab dort zahlreiche Konzerte.

   

Hier wie auf ihren zahlreichen Tourneen brachte sie neben vielen Werken ihres Lehrers Kozeluch auch Klavierkonzerte von Mozart und Haydn (nachweislich Konzert G-Dur Hob XVIII:4) zu Gehör. Salieri dedizierte ihr ausdrücklich sein 1773 entstandenes Orgelkonzert, und es ist anzunehmen, dass sie auch dieses Werk öffentlich aufgeführt hat. In einem Brief vom 16. Februar 1785 schreibt Leopold Mozart seiner Tochter von einem neuen Klavierkonzert, das sein Sohn "für die Paradis nach Paris gemacht" habe. Leider ist aus diesem Hinweis nicht zu rekonstruieren, um welches Klavierkonzert es sich handelte.

  

Nach einem wahren Martyrium durch die verschiedensten Kuren wurde sie von den Wiener Ärzten als unheilbar blind bezeichnet; später war sie durch einige Zeit hindurch Patientin des berühmten Arztes Franz Anton Mesmer, der eine deutliche Besserung, wenn nicht Heilung ihres Zustandes bewirkte. Allerdings fiel sie nach einer psychischen Erschütterung wieder in ihre vorige Blindheit zurück. Es ist daher anzunehmen, daß ihre Blindheit von vornherein psychogen bedingt gewesen ist.

   

Eine große Tournee von 1783 bis 1786 führte sie u. a. nach Paris, London, Hamburg (wo sie mit Carl Philipp Emanuel Bach zusammentraf) und Berlin; begleitet wurde sie von ihrer Mutter und ihrem Librettisten Johann Riedinger, der eine Blinden-Notenschrift für sie erfand. Für die Korrespondenz verwendete sie eine Blinden-Schreibmaschine von Wolfgang von Kempelen. Während ihrer langen Reise begann sie Klaviermusik und Lieder zu schreiben, und auch nach ihrer Rückkehr widmete sie sich mehr und mehr der Komposition. Weitere Konzertreisen nach Italien und Russland kamen nicht zustande. 1808 gründete sie ein Institut für musikalische Erziehung in Wien, wo sie junge Mädchen in Klavier, Gesang und Musiktheorie unterrichtete. Zu ihrem Freundeskreis zählte Salieri.

  

Die Paradisgasse in Döbling (19. Wiener Gemeindebezirk) ist nach ihr benannt.

  

Nachbemerkung:
Anzunehmen ist, dass Theresia Paradis durch ihr gesamten Wirken, insbesondere auch auf ihren Auslandsreisen, viel zu der damals mehr und mehr um sich greifenden Erkenntnis beigetragen hat, dass auch Blinde bildungsfähig waren.

   

Werke

Viele der zahlreichen Werke von Maria Theresia Paradis sind verloren gegangen. In ihren Bühnenwerken zeigt sich besonders in den dramatischen Szenen der Einfluss ihres Lehrers Salieri, ansonsten herrscht der typische Wiener Singspielton vor. Ihre Klavierwerke sind stark vom Stil Kozeluchs beeinflusst.

  

Bühnenwerke

- Ariadne und Bacchus (1791)
- Der Schulkandidat (1792)
- Rinaldo und Alcina (1797)

  

Kantaten

- Trauerkantate auf den Tod Leopold II. (1792)
- Deutsches Monument Ludwigs des Unglücklichen (1793)
- Kantate auf die Wiedergenesung meines Vaters

  

Instrumentalwerke

- 2 Klavierkonzerte in g-Moll und C-Dur
- 12 Klaviersonaten (1792)
- Klaviertrio (1800)
- 2 Fantasien für Klavier in G-Dur (1807) und C-Dur (1811)

  

Literatur

- Angermüller, Rudolph. Antonio Salieri. Dokumente seines Lebens 3 Bde. Bock, Bad Honnef, 2002.
- Fürst, Marion.
Maria Theresia Paradis – Mozarts berühmte Zeitgenossin Böhlau, Köln, 2005.
- Sadie, Stanley (Hrsg.) The New Grove Dictionary of Music and Musicians (2. Auflage) Grove Dictionaries, New York, 2000.
- Halliwell, Ruth. The Mozart Family: Four Lives in a Social Context Claredon Press, Oxford, 1998.


Quelle: Wikipedia


 

Marion Fürst: Maria Theresia Paradis. Mozarts berühmte Zeitgenossin.
Europäische Komponistinnen, Band 4, Köln: Böhlau Verlag, 2005, XII und 405 Seiten, 21 s/w-Abb., 8 Notenbeispiele.

„Den eigenwilligsten Beitrag zum Mozart-Jahr“ nennt die FAZ1 Marion Fürsts Buch über die blinde Wiener Pianistin, Komponistin, Sängerin und Privatmusiklehrerin Maria Theresia Paradis (1759-1824)2. Die Verfasserin, Dozentin am Institut für Musikwissenschaft und Musik an der Universität Koblenz-Landau, geht minutiös allen Stationen des Lebens der Künstlerin nach und erhellt damit den Kontext der Zeit, in der Paradis eine gefeierte Sängerin war und in der ihre Partituren entstanden. Dabei wird vieles, was bisher zu unkritisch tradiert wurde, etwa die Frage der Widmung eines Konzertes durch Mozart an Paradis, korrigiert und ergänzt. Fürst weist den Anteil von Frauen an der Vermittlung von Musik, an der Gestaltung von Kulturräumen nach. Galt Paradis noch vor nicht allzu langer Zeit als eine nahezu Verschollene, die nur in der Geschichte der Blindenpädagogik weiterleben werde, so hat sie inzwischen durch die Arbeit von Musikwissenschaftlern neue Aktualität gewonnen und ist gerade dadurch auch für die Blindenpädagogik wieder bedeutend geworden.

Marion Fürst verfolgt alle Konzertreisen mit den Begegnungen, die dabei stattfanden, sowie die Kompositionsarbeit und stellt die Medien vor, die der blinden Künstlerin ermöglichten, Allgemeinbildung nicht nur verbal zu erwerben und ihre Werke selbst für die Nachwelt zu fixieren. Aus Hunderten von schriftlichen Zeugnissen, u. a. aus Zeitungen des 18. Jahrhunderts, erstellt sie ein anschauliches Bild der Künstlerin, die von Seiten der Komponisten Mozart, Salieri und Haydn, der Dichter Klopstock, Bürger und Pfeffel sowie der Kaiserin Maria Theresia hohe Wertschätzung erhielt. So entstand ein Gesamtbild der Zeit unter besonderer Beachtung des Musiklebens. Die große Breitenwirkung, die Maria Theresia Paradis hatte, machte sie zu einer der herausragenden Frauen ihrer Zeit.

Was in dieser Zeitschrift bisher über die Künstlerin, über ihre Relevanz für die Geschichte der Blindenpädagogik, geschrieben wurde, erfährt in Marion Fürsts Buch eine deutlichere Einbettung in den Zeitzusammenhang. Wir erfahren aber auch z. B. aus Briefen an Johann Ludwig Weissenburg in Mannheim, der ebenfalls blind war, wie sie ein neues Klavierstück einübte, an anderer Stelle, wie die auf ihre Anregung entwickelte Handdruckpresse für Briefe funktionierte, wie tastbare Landkarten mit Seidenschnüren, Nadelköpfen (Städte), Drähten (Flüsse) und Sand (Meere) hergestellt wurden, dass sie Kartenspiele selbst mit Markierungen versah, um mit Sehenden spielen zu können. Wir lesen von den Saunderson’schen Arithmetiktafeln für Blinde, von Zeichenhilfen für Geometrie. Ein Notenschreibgerät von G.J. Vogler wird beschrieben. Ein Notenbrett, das ihr treuer Helfer Johann Riedinger konstruierte, ermöglichte ihr, Lieder, Klavier- und Kammermusik, Kantaten und Opern zu komponieren. Die Medien nahm sie auf ihren Konzertreisen mit; das erleichterte es ihr, durch das Veranschaulichen Valentin Haüy zu ermutigen, seinen schon länger gehegten Wunsch nach Gründung einer Blindenschule in die Tat umzusetzen. So fand Paradis’ erstes Konzert in Paris am 1. April 1784 statt; Haüy begann mit seinem Unterricht zwei Monate später.

  
Man ist versucht, den Kant’schen Begriffe des „Anhebens“ für die lange Phase der Vorbereitung Haüys auf das, was er für seine Aufgabe im Dienste des Menschengeschlechtes hielt, und des „Beginnens“ für das unmittelbare Angestoßen-Sein durch Paradis zu verwenden.

  
In einem Brief an die Dichterin Sophie La Roche erläutert Maria Theresia Paradis, dass sie, solange sie jung sei, viele Konzerte geben wolle, um Geld für ihre Altersversorgung zu haben, u.a. um, wenn ihre Eltern einmal tot seien, andere Menschen für notwendige Hilfen bezahlen zu können. Sie gründete eine Musikschule, durch die andere Blinde ermutigt wurden, ähnliche Einrichtungen für sehende Musikschüler ins Leben zu rufen.

Marion Fürst hat ihr Buch für eine neue Reihe über europäische Komponistinnen verfasst. Sie zeigt in beeindruckender Weise auf, welche Bedeutung Maria Theresia Paradis in der Musikgeschichte zukommt und wie sie dadurch die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Blindenbildung in nicht zu unterschätzender Weise gefördert hat. Für ihren Erfolg war es für Paradis wohl nicht unwichtig, dass ihr bewusst war, welche Stellung die Frau in der damaligen Gesellschaft meist einnahm, und es ist erfrischend, wie sie dieses Frauenbild mit entwaffnender Liebenswürdigkeit ad absurdum führte. So antwortete sie einem Mitarbeiter der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ im Frühjahr 1810 auf die Frage, warum sie keine ihrer letzten Kompositionen veröffentlicht habe: „Würden es mir die männlichen Kunstgenossen verzeihen, wenn ich als Frauenzimmer – und sogar als gesichtsloses Frauenzimmer, es wagte, mich mit ihnen zu messen?3“    Dietrich Schabow


1    Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Februar 2006, Rezension von Ellen Kohlhaas
2    Das z.B. bei Ottokar Wanecek „Geschichte der Blindenpädagogik, Berlin 1969, S. 27, genannte Adelsprädikat „von“ wird in der Arbeit von Marion Fürst nicht verwendet, weil es nicht gesichert überliefert ist. So hat die blinde Künstlerin bei ihren Unterschriften, die sie mit Hilfe der o. g. Schreibhilfe unter ihre Briefe setzen konnte, nie das „Von“ verwendet.
3    hier wiedergegeben nach der Homepage MUGI Musik und Gender im Internet, Forschungsprojekt der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, mugi.hfmt-hamburg.de Die Lexikalische Grundseite „Maria Theresia“ wurde von Marion Fürst für das Internet erstellt. Das hier wiedergegebene Zitat von Paradis wird dort als „charakterisierender Satz“ genannt. Das Literaturverzeichnis im Internet ist bis 2007 fortgeführt, ebenso ein Verzeichnis moderner Editionen der Werke und eine Diskografie (Auswahl der Lieder und der Klavierwerke) sowie Aussagen zum Forschungsstand und zum Forschungsbedarf.


Quelle: "Blind/ Sehbehindert" 1/ 2008

 

   



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