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Wilhelm Bielfeld

Wilhelm Bielfeld
Jahrgang 1935

          


Man lernt im Leben nichts umsonst

        

Unsere Familie und Verwandtschaft lebte auf Bauernhöfen in der Danziger Niederung. Ich litt schon früh am grünen Star (Glaukom). Mein Sehen nahm ab, und nach der zweiten Operation erblindete ich im sechsten Lebensjahr.

Ich kam nach Königsberg in die Blindenschule, zu guten Erziehern und Lehrern.

Die Flucht unterbrach meine Ausbildung. Drei Jahre waren wir gut versorgt in Dänemark. Mein Vater fand für uns eine neue Heimat in Lübeck-Genin und war 25 Jahre Küster in der dortigen Kirche. Da habe ich öffentliches Eigentum schätzen gelernt.

Meine Schulzeit und Berufsausbildung setzte ich an der Blindenschule in Hannover fort. Nach dem achten Schuljahr gingen meine lernschwächeren Mitschüler in das Blindenhandwerk, aber auch wir anderen Schüler, die zur Mittleren Reife geführt wurden, besuchten am Nachmittag die Werkstätten, um zuerst im neunten Schuljahr das Stuhlflechten und im zehnten Schuljahr das Bürsten- und Besenhandwerk zu erlernen. Anschließend konzentrierte ich mich in der Blindenschule Soest auf die Ausbildung zum Stenotypisten und Telefonisten. 40 Jahre war ich in Kiel Büroangestellter bei Siemens.

Für meine körperliche Fitness begleitete mich aus der Schulzeit her immer der Sport und eine gute Kameradschaft unter vielseitig Behinderten. Schon 25 Jahre verbindet mich eine Freundschaft mit Walter Süverkrüpp, einem gehörlosen Sportkameraden. Wir beide verstehen uns ohne Worte und Blicke. Ich weiß über Arbeiten auf dem Gelände unseres Sport- und Freizeitheimes am Plöner See, dass Walter von Beruf ein sehr guter Tischler ist. Als ich mit meiner Frau in diesem Jahr am Tag des offenen Denkmals die Bethlehem-Kirche, eine ehemalige Garnisonskirche in Kiel-Friedrichsort, besichtigte, wurden mir auch die Offiziersstühle im Altarraum mit ihrem Rohrgeflecht gezeigt. Ich sagte: „Das ist Blindenhandwerk. Vielleicht schon aus der Erstanfertigung vom Kirchenmobiliar 1875. Da gab es bereits eine Blindenschule in Kiel und das Blindenhandwerk. Ich habe es auch erlernt, um eine Arbeitslosenzeit mit Heimarbeit auszufüllen. Es ist genau 50 Jahre her, dass mir das Stuhlflechten im Zeugnis mit einer guten Note bewertet wurde. Herr Pastor Landa fragte leise, ob ich von den insgesamt 30 Stühlen zehn beschädigte restaurieren könnte. Mir hat diese Arbeit seinerzeit viel Freude gemacht und ich wollte es gern versuchen, dachte aber gleich dabei an meinen gehörlosen Freund, denn nach der Entfernung der alten Geflechte und der Reinigung ist oft der Tischler für eine Reparatur notwendig. Dann erst kann ich ein Geflecht sauber neu einziehen. Ich brauchte auch noch Material und Werkzeug. Im Blindenhandwerk in Hannover, das besonders für die Betreuung und Beschäftigung von Taubblinden aufrechterhalten wird, fand ich eine gute Beratung bei einer Stuhlflechtermeisterin und bekam eine Adresse für die Bestellung von Material und Handwerkszeug. Mit viel Freude bin ich jetzt an meiner winterlichen Beschäftigung. Die ersten zwei, am stärksten lädierten, Stühle konnten mein Tischlerfreund und ich schon zu Weihnachten der Bethlehem-Kirche wie neu als Geschenk zurückgeben.

In meiner Lehrzeit stand das Blindenhandwerk in hohem Ansehen. Zum Kriegsende wurden Reparaturen mit Ersatzmaterialien wie Stroh, Wurzelfasern und Gummistreifen durchgeführt. Die englische Besatzungsmacht besorgte aber bald für die Beschäftigung Blinder, Materialien aus dem Ausland, wie das lange Stuhlflechterrohr und für das Bürsten- und Besenherstellen chinesische Schweineborste und gutes Rosshaar. Später bekamen auch Fabriken diese guten Materialien, und die notwendigen Handwerkerlöhne machten die Blindenware zu teuren, aber wertvollen Geschenkartikeln. Und so empfehle ich auch heute immer noch in meinem Bekanntenkreis die Direktbestellung von Haushaltsartikeln im Blindenhandwerk. Während meiner Bürozeit habe ich meinen guten Lehrern in Hannover immer wieder dankbar eine Rückmeldung von meiner positiven Entwicklung sowohl im Berufs- als auch im Privatleben gegeben. Jetzt denke ich auch ganz dankbar an meine Meister im Blindenhandwerk, Herrn Terhell, Herrn Schuster und Herrn Roter zurück. Ihr Vorbild und ihre Handfertigkeit haben sich so gut eingeprägt, dass ich sie nach 50 Jahren aufrufen und in die Praxis umsetzen konnte. Ich habe also auf diesem Gebiet nicht umsonst gelernt.

Eine Anmerkung, als Brücke zwischen den Berichten: Mit dem kargen Lohn vom Stuhlflechten habe ich mir im Jahre 1954 von einem Kriegsblinden mein erstes Tandem gekauft. Damit konnte ich mit meinen 6 Geschwistern abwechselnd Rad fahren.

   

50-jähriges Jubiläum - Rückblick auf das Jahr

            

Dieser Bericht ist gewidmet, mit herzlichem Dank an meine Querbeet-Teams für die natursportlichen Erlebnisse auf Wanderungen, beim Tandemfahren und auf dem Wasser. Dafür habe ich Freundschaften gepflegt.

Meine eigene Leistungskontrolle: Im Jahre 2004 habe ich mein 30. Deutsches Sportabzeichen für Behinderte abgelegt. Aus meiner Schul- und Ausbildungszeit nahm ich den guten Rat mit, weiterhin regelmäßig Sport zu treiben. Zur Bewältigung meiner Blindheit muss ich dazu nervenstark und körperlich elastisch bleiben.

Mein erstes Sportabzeichen habe ich in meinem letzten Ausbildungsjahr 1956 in Soest erworben. Als ich im Jahr 1957 in Kiel einen guten Arbeitsplatz fand, bin ich auch bald in den 1. Kieler Versehrtensportverein von 1950 e.V. eingetreten. In vielen Jahren habe ich meine Leistungen in der Leichtathletik, im Vierkampf und im Schwimmen auf den Landessportfesten kontrolliert. Ein besonderer Höhepunkt war das Weihnachtsschwimmen rund 20 Jahre mit lieb gewordenen Andenken. Das Deutsche Sportabzeichen in Silber und in Gold habe ich gleich nach dem Erreichen der angegebenen Altersstufen, als Wiederholungen, abgelegt. Nachdem es in Leichtathletik und im Schwimmen keine Landessportfeste in der Breite und im Mehrkampf mehr gibt, habe ich die Wiederholungen auf dem Sportabzeichen regelmäßig gesammelt.

Der Gruppe sehbehinderter und blinder Sportler, den guten Übungsleitern und unseren treuen Helfern danke ich sehr. Meine Leistungen waren zumeist silbern, aber mit der Mannschaft bekam ich auch eine Goldmedaille.

Durch gutes Training konnte ich zuerst meine Leistungen steigern. Mit Routine und Ausdauer war ich lange gut. Langsam neigt sich die Leistungskurve, liegt aber immer noch gut über dem geforderten Soll. Darum möchte ich kontrolliert weitermachen.

Denen, die meine Leistungen geprüft haben, danke ich herzlich, sie sind aber noch nicht entlassen. Unserem ganzen Sportverein herzlichen Dank, dass ihr mir einen guten Entfaltungsraum belasst. Unserem Vereinsvorstand herzlichen Dank, dass ich mit meinem Sport keine Verwaltungsarbeit habe.

  

  

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