Inhalt Rechts

Rechte optische Spalte

Sprachauswahl

Dritte Spalte

Inhalt Mitte

Breadcrump Menü

Sie sind hier:

Hauptinhalt

.

Gisela Finzel

Gisela Finzel
Richterin am Amtsgericht a.D.
Jahrgang 1939

  


Bewegter Ruhestand

       

Im September 1967 habe ich meine richterliche Laufbahn begonnen. Ab Juli 1977 war ich für Familiensachen zuständig. Ich hatte beabsichtigt, mit Vollendung des 60. Lebensjahrs, im März 1999, in den Ruhestand zu treten. Im Herbst 1996 erhielt mein Arbeitsassistent, der im Abendgymnasium das Abitur abgelegt hatte, ein Stellenangebot im gehobenen Verwaltungsdienst. Für den relativ kurzen Zeitraum bis März 1999 wollte ich weder eine neue Arbeitsassistenz, noch mich selbst dem Stress der Einarbeitung aussetzen. Deshalb beantragte ich bereits im Alter von 57 Jahren meine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand und nahm im Dezember 1996 meine letzten Amtshandlungen wahr. Es dauerte dann noch bis August 1997, bis ich die entsprechende Urkunde in Händen hatte.

Die Wurzeln für einen bewegten Ruhestand durch ehrenamtliche Aufgaben, wurden zum größten Teil schon während meiner Dienstzeit gelegt.

1. Von 1973 bis 1996 war ich Stellvertretende Vorsitzende des jetzigen Blinden- und Sehbehindertenvereins Bielefeld. Bis April 2004 gehörte ich dem Vorstand als Beisitzerin an. Der Verein ist korrespondierendes Mitglied im Paritätischen und Mitglied in der Bielefelder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (BIKIS). Auch nach meinem Ausscheiden aus dem Vereinsvorstand halte ich für ihn Kontakt zu diesen Organisationen. Außerdem leite ich weiterhin die Frauengruppe des Vereins, die sich einmal monatlich trifft. Ferner beteilige ich mich am Besuchsdienst bei Vereinsmitgliedern, die runde oder halbrunde Geburtstage feiern. Im Jahre 2005 sind es für mich insgesamt fünf Besuche.

2. Seit 1989 gibt es bei der Stadt Bielefeld einen Behindertenbeirat. Seine Sitzungen finden monatlich statt. Außerdem werden Arbeitskreise für verschiedene Themenbereiche gebildet und Mitglieder mit beratender Funktion in verschiedene städtische Gremien entsandt. Bis 2004 gehörte ich dem Beirat und seinem Arbeitskreis "Bebaute Umwelt und Verkehr" an und war stellvertretendes Mitglied im Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss (Unterausschuss des Stadtrates). In den letzten fünf Jahren musste ich in etwa der Hälfte aller Sitzungen diese Aufgabe wahrnehmen. Von 1999 bis 2004 war ich für den Behindertenbeirat außerdem Mitglied mit beratender Stimme im Seniorenrat der Stadt. Der Zweckverband Verkehrsverbund Ost-Westfalen/Lippe bildet einen Fahrgästebeirat. Diesem habe ich im Auftrag des Behindertenbeirats für zwei Amtsperioden angehört.

Der Behindertenbeirat, der Seniorenrat und der Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss tagen jeweils monatlich, der Arbeitskreis "Bebaute Umwelt und Verkehr" und der Fahrgästebeirat jeweils drei bis vier Mal jährlich.

3. In Bielefeld wurde 1996 ein Verein "Integrative Beratungs- und Begegnungsstätte für Behinderte" (IBBB) gebildet. Auf Wunsch des Synodalbeauftragten für Evangelische Blinden- und Sehbehindertenseelsorge des Kirchenkreises Bielefeld, nahm ich an dem runden Tisch teil, der zu dieser Gründung führte. Seit 1998 bin ich Mitglied im Vorstand des Vereins. Vorstandssitzungen finden drei bis vier Mal jährlich statt. Zu den zahlreichen Begegnungsangeboten gehört unter anderem zweimal im Monat ein Frühstückstreffen. Ich bin bemüht, daran wenigstens einmal monatlich teilzunehmen, weil ich der Meinung bin, dass die Vereinsmitglieder und die weiteren Nutzer unserer Angebote die Vorstandsmitglieder nicht nur von der jährlichen Mitgliederversammlung kennen sollten.

4. Häufig wenden sich von Blindheit oder Sehbehinderung betroffene oder bedrohte Menschen oder ihre Angehörigen bei der Suche nach Beratung nicht unmittelbar an den Blinden- und Sehbehindertenverein, sondern an die IBBB oder die BIKIS. In diesen Fällen werden sie oft nicht an den Vereinsvorsitzenden, sondern an mich als Kontaktperson verwiesen. Wünsche nach Informationsveranstaltungen zur Lage blinder und sehbehinderter Menschen landen ebenfalls über den Blinden- und Sehbehindertenverein selbst, über die BIKIS, die IBBB oder den Synodalbeauftragten bei mir. So werde ich häufig in Schulen, gelegentlich auch in Kindertagesstätten, vor allem aber in Gruppen von Kirchengemeinden eingeladen.

5. Seit 1988 bin ich Presbyterin in der Evangelischen Pauluskirchengemeinde in Bielefeld. Innerhalb der Gemeinde gehöre ich dem Arbeitskreis für Weltmission und einem Begrüßungsteam an, das Ideen entwickelt und umsetzt, wie neue Gemeindeglieder oder solche, die den Gottesdienst nur selten besuchen, in das Gemeindeleben - auch außerhalb des Gottesdienstes - einbezogen werden können. Außerdem vertrete ich die Gemeinde im Evangelischen Gemeindedienst e.V., einer Einrichtung, die dem Diakonischen Werk anderer Kirchenkreise entspricht.

Seit 1992 bin ich Mitglied der Kreissynode. 1996 wurde ich in den Kreissynodalvorstand gewählt und im Jahre 2004 für weitere acht Jahre wiedergewählt.

Sitzungen des Presbyteriums und des Kreissynodalvorstandes finden in der Regel einmal monatlich statt. Mit Rücksicht auf das abnehmende Kirchensteueraufkommen sind jedoch in jüngerer Zeit zahlreiche zusätzliche Termine zur Entwicklung eines Haushaltskonsolidierungskonzeptes erforderlich. Seit Anfang 2005 habe ich allein auf Grund meiner Zugehörigkeit zum Kreissynodalvorstand durchschnittlich fünf Termine im Monat.

Darüber hinaus werden Kreissynodalvorstandsmitglieder zu Neujahrsempfängen, Einweihungen von Gebäuden oder Orgeln, der Einführung oder Verabschiedung von Pfarrerinnen und Pfarrern, Jubiläen und ähnlichen Anlässen eingeladen. In der Wahrnehmung dieser Einladungen sehe ich auch eine Gelegenheit zu einem Stück Öffentlichkeitsarbeit: "Auch als blinder Mensch kann man dabei sein".

6. Seit 1998 gibt es die Evangelische Blinden- und Sehbehindertenstiftung Norarudbach. Sie ist an das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster angeschlossen. Meine Zugehörigkeit zum Vorstand wurde im Jahre 2006 für weitere fünf Jahre bestätigt. Die Sitzungen finden zwei bis drei Mal jährlich in Münster statt.

7. Die ersten acht Jahre meines Ruhestandes waren so bewegt, dass ich dagegen den Dienst als Familienrichterin direkt als gemütlich empfinde. Innerhalb meines Aufgabenbereiches hatte ich es in der Hand, die Termine so aufeinander abzustimmen, dass Staus weitgehend zu vermeiden waren. Ich ging in der Regel einmal am Tag aus dem Haus und erledigte auf dem Heimweg meine Einkäufe oder sonstigen Besorgungen. Jetzt muss ich häufig dreimal am Tag starten, und die Tage, an denen ich so lange ohne Unterbrechung in der Wohnung sein kann, dass ich ein volles Waschprogramm, einschließlich zweier Trockenvorgänge abwickeln kann, sind selten. Ich koche gewöhnlich für mehrere Tage im Voraus und friere ein. Trotzdem bleibt noch etwas Raum für Privatleben:

Einmal wöchentlich nehme ich an einem Gymnastikkurs teil, und seit 1997 gönne ich mir einmal in der Woche eine Heißluftbehandlung mit anschließender Massage.

Seit 1987 bin ich Mitglied im Teutoburger-Wald-Verein. Solange ich im Dienst war, konnte ich die Wanderangebote an Samstagnachmittagen intensiver nutzen als jetzt. Aber manchmal klappt es doch! Seit die Sitzungen des Behindertenbeirats und des Seniorenrats für mich entfallen, habe ich in der Regel auch Gelegenheit, an den Seniorenwanderungen teilzunehmen, die zweimal im Monat mittwochvormittags stattfinden. Ein Mitwanderer ist stets mein "Schutzengel".

Ein Hauskreis meiner Kirchengemeinde kommt vierzehntägig zusammen.

Daneben bin ich noch in einem übergemeindlichen Hauskreis, der sich monatlich trifft.

Im Jahr 2003 schlüpfte ich in die Haut des "Affen, der alles nachmacht". Aus Anlass des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen fand in unserer Nachbarstadt Herford, auf Initiative der städtischen Beauftragten für Behinderten- und Seniorenbelange, ein ökumenischer Gottesdienst statt, an dessen Gestaltung behinderte Menschen beteiligt waren. Da der Blinden- und Sehbehindertenverein Herford niemanden stellen konnte, der in der Lage und bereit war, die Schriftlesung in Blindenschrift zu übernehmen, wurde ich für die Wahrnehmung dieser Aufgabe "ausgeliehen". Das reizte mich, einen solchen Gottesdienst auch für Bielefeld anzuregen. Wir schafften die Umsetzung dieser Idee allerdings erst im Mai 2004. An der Vorbereitung und Durchführung nahmen als Theologen der katholische und der evangelische Seelsorger der Anstalt Bethel und die Beauftragte für evangelische Gehörlosenseelsorge teil. Sie alle sind selbst behindert. Sie waren von der Resonanz so angetan, dass sie sich vornahmen, ein Konzept zu entwickeln, mit dem dauerhaft einerseits Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten, andererseits Menschen mit und ohne Behinderung und nicht zuletzt Christen verschiedener Konfessionen enger miteinander verbunden werden. Sie haben mich wieder mit ins Boot geholt. Wir haben inzwischen den 4. Gottesdienst dieser Art gestaltet.

8. Die besonderen Glanzlichter in meinem Leben sind immer noch die Kontakte zu den Kindern meiner jüngsten Geschwister. Keines von ihnen wohnt in Bielefeld. Früher haben wir gemeinsam Urlaub gemacht, oder ich war längere Zeit Gast in den Familien. Mindestens einmal im Jahr waren Kinder in den Ferien bei mir zu Besuch. Die meisten sind leider inzwischen aus dem Alter herausgewachsen, wo so etwas Spaß macht. Sie sind entweder verheiratet oder haben ihren Urlaub nicht gerade in der Zeit, in der ich von Terminen frei bin, also in den Schulferien. Die jüngste Nichte ist jetzt siebzehn Jahre alt und besucht noch das Gymnasium. Sie verbringt seit 1997 in allen Ferien außer Weihnachten eine Woche bei mir. Eine andere Nichte ist jetzt dreiundzwanzig Jahre alt und studiert. Sie hat nach einer mehrjährigen Flaute vor circa drei Jahren den Reiz von Besuchen in Bielefeld wiederentdeckt. Seitdem sind die Abstände immer kürzer geworden.

  

  

Dieser Artikel wurde bereits 9830 mal angesehen.



.