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Max Roßbacher

Max Roßbacher
Jahrgang 1924

  


  

In den letzten Monaten war ich mit einer anspruchsvollen Arbeit beschäftigt: Endlich kam ich dazu, die Chronik des steirischen Blindenapostolates zu schreiben. Es galt, aus vielen Protokollen, Berichten und einfachen Notizen das herauszufiltern, was Leben und Geschichte einer mehr als 50 Jahre alten Gemeinschaft ausmacht, was sie zum Leben und zu ihrer Entfaltung brachte.

1951 gründete ich, gemeinsam mit dem im letzten Krieg erblindeten Grazer Dominikanerpater Reginald Ladner, das steirische Blindenapostolat - zunächst als Gemeinschaft gleichgesinnter sehbehinderter und blinder Menschen. In dem konfessionell und politisch neutralen Blindenverein waren unsere Anliegen nicht unterzubringen. Wir wollten christliche Literatur und auch Behelfe für unser aktives Mittun in Gemeinde und Gottesdiensten bereitstellen, religiöse Bildungsarbeit betreiben, Kontakte pflegen und eine gute Freizeitgestaltung anbieten. So stellten wir unsere Gemeinschaft unter den Rechtsschutz der katholischen Kirche der Diözese Graz-Seckau.

Beim Rückblick auf die Anfänge wurde mir wieder bewusst, wie schwer ich mich bei vielem tat. Das Vorbereiten von Veranstaltungen ging mir relativ leicht von der Hand; diese aber auch mit geistigen Inhalten zu füllen, ließ mich zuweilen an die Grenzen meiner Fähigkeiten stoßen. Dennoch wollte und musste ich weitermachen: die Sache war mir jede Anstrengung wert. Doch längst ist mir die Mitwirkung im Blindenapostolat zu einer solch großen Freude geworden, dass ich sie auch jetzt als Achtzigjähriger nicht missen mag. 69-jährig habe ich zusätzlich den Vorsitz im Blindenapostolat Österreich übernommen, den ich aber bei der nächsten Wahl einem jüngeren Schicksalsgefährten überlassen werde.

Aus der Fülle des Geschehenen möchte ich hier etwas herausgreifen, das mir sehr wichtig war und mir auch berichtenswert erscheint: 1970 gestaltete das Blindenapostolat Österreich in Salzburg einen internationalen Kongress katholischer Blinder zum Thema "Wer ist mein Nächster?". Dazu luden wir auch Blinde aus den östlichen Nachbarländern ein. Im persönlichen Kontakt mit ihnen wurde uns sogleich bewusst, in ihnen "die Nächsten" vor uns zu haben. In den Gesprächen erfuhren wir von den Einengungen, denen sie als Christen im kommunistischen System ausgesetzt waren. Gemeinsam suchten wir nach Möglichkeiten zur Abhilfe. Die Voraussetzungen für die Glaubensausübung waren in Jugoslawien besser, als in den übrigen kommunistischen Ländern; dennoch vermissten die blinden katholischen Christen in Slowenien und Kroatien manches, das ihnen wichtig erschien. Wegen der Grenznähe zu Jugoslawien übernahmen wir Steirer die Kontaktpflege und - soweit möglich - die Obsorge für Schicksalsgefährten in diesem Land. Schon im gleichen Jahr kam die erste blinde Frau aus Slowenien zu unserer Bildungswoche, in das, etwa 15 km von der Staatsgrenze entfernte, steirische Volksbildungsheim Schloss Retzhof. In den folgenden Jahren waren es bis zu zehn Slowenen und Kroaten, die als Gäste an unseren Retzhofer Kursen teilnahmen. Seither sind sie aus unserer Gemeinschaft nicht mehr wegzudenken.

Ein dringendes Anliegen war unseren slowenischen Freunden, die Verbreitung der Bibel unter den gläubigen Blinden ihrer Heimat. Es gelang mir, den slowenischen Sprecher der Rundfunkstation Klagenfurt dafür zu gewinnen, das Neue Testament auf Band zu lesen. In einer Nacht- und Nebelaktion brachten wir die Mutterbänder über die Grenze nach Marburg/Drau, dazu noch zwei Magnetophone und viele frische Bänder. Die Kopierarbeit konnte vor Ort erfolgen. Einzelne Teile des Neuen und des Alten Testamentes wurden, im Auftrag und auf Kosten des deutschen katholischen Blindenwerkes in Paderborn, gedruckt und in hunderten Exemplaren, teils über Graz, an von uns benannte Interessenten in Slowenien und Kroatien geschickt. Die slowenische Frauengruppe wollte eine eigene Zeitschrift herausbringen und sie siebzig Interessenten zugänglich machen. Mit finanzieller Unterstützung deutscher Freunde beschafften wir dafür ein Marburger Punktschriftvervielfältigungsgerät und brachten es nach Ljubljana. Als der dortige Blindenverein gewahr wurde, wofür die ungewohnt große Bestellung an Blindenschriftpapier bestimmt war, sperrte er die Zuteilung. Eine steirische Papierfabrik überließ mir daraufhin einen Restposten an 400 kg geeignetem Papier. In mehreren Fahrten brachten Mitarbeiter dieses Papier mehr oder minder anstandslos über die Grenze.

Das für Kroatien bestimmte Punktschriftvervielfältigungsgerät nahm ich im Auto eines Freundes mit nach Zagreb. Als wir in Spielfeld an der Grenze vor dem jugoslawischen Zöllner hielten, flüsterte mir der Fahrer zu: "Im Auto vor uns werden alle Koffer geöffnet und durchwühlt." Als wir an der Reihe waren und vorsorglich unsere Reisepässe dem Kontrolleur entgegenhielten, winkte er ab und ließ uns ungeschoren weiterfahren.

Die Gefährlichkeit dieser Unternehmungen wurde mir erst nachträglich, im Zusammenhang mit einem Prozess, voll bewusst, der wegen angeblichen Devisenschmuggels gegen unseren Mittelsmann in Ljubljana angestrengt wurde. Dieses Verfahren verlief aber nach Jahren im Sand.

Mit 61 Jahren, als Beamter der steirischen Wirtschaftskammer in Pension gegangen, setze ich die ehrenamtliche Tätigkeit im Blindenapostolat verstärkt fort - froh und dankbar, dass ich meine reichen Erfahrungen noch sinnvoll einbringen kann.

  

  

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