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Günther Schmohl

Günther Schmohl
Jahrgang 1926

  


  

16 Jahre später

So viel Zeit ist seit der Abfassung meines ersten Beitrages vergangen. Aus dem Musizieren wurde eine intensive, aber nicht minderfröhliche Arbeit am Klavier. So sind wir inzwischen zu einem gut aufeinander eingespielten Klavierduo zusammengewachsen und erarbeiten seit 1997 jedes Jahr ein einstündiges Programm mit klassischer und romantischer Musik, mit dem wir dann in Gernsbach und Umgebung konzertieren. Ich erzähle dies nur, weil ich sagen möchte, wie schön gerade gemeinsames Musizieren ist, das uns Blinden doch in der Regel weitgehend verschlossen bleibt. Der Möglichkeiten sind viele. Stil und Niveau spielen keine Rolle. Freilich sollten sich die Paare auf gleichem musikalisch-technischen Niveau befinden, damit die Sache auch Spaß macht.

Auch wer ganz einsam und wenig kontaktfähig oder -freudig ist, kann sich geistig jung erhalten, indem er viel liest und sich hinterher Notizen über das macht, was er gelesen hat - Inhaltsangaben und/oder Kommentare. Auch das Radio ist hierfür ein wertvolles Hilfsmittel.

Auf 19 Jahre erfülltes Rentnerleben darf ich nun zurückblicken. Langsam, aber sicher gehe ich auf den vierten Lebensabschnitt zu, in dem Loslassen gefordert sein wird. Angefangen hat das schon damit, dass ich seit fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen auf Lateinamerika-Reisen verzichten muss. Mich trafen zwei Kreislaufzusammenbrüche und meine Frau eine schwere Krebsoperation. Diese Schüsse vor den Bug veranlassen mich dazu, jeden Tag mit großer Dankbarkeit zu genießen.

Unsereinen, der sich seine Selbständigkeit hart erkämpfen, vielleicht wiedererkämpfen musste, mag der Gedanke schon gelegentlich bedrücken, dass auch hier vielleicht einmal das Loslassen gefordert werden kann und man Hilfe annehmen muss, ob es einem gefällt oder nicht. Das mag einem schon gelegentlich Angst machen. Diese Angst ist durchaus real. Man wird mit ihr umgehen müssen. Sie verdrängen bringt nichts; denn das kann uns erst richtig krank machen. Sich von ihr beherrschen lassen, bringt auch nichts; denn das würde uns daran hindern, jeden Tag, den wir noch gesund und beweglich sein dürfen, zu genießen. Mir scheint: Die einzige Waffe, mit der man die Angst besiegen kann, ist die Dankbarkeit. Sie hilft mir dazu, jeden Tag, den ich körperlich und geistig fit sein darf, in vollen Zügen zu genießen, und dem, was kommt, vertrauensvoll entgegenzusehen.

Lassen Sie mich mit einem Wort schließen, das dem heiligen Hieronymus zugeschrieben wird: "Frage nicht nach dem, was du nicht hast, sondern nach dem, was du noch hast."

  

  

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