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Ratgeber für erfolgreiches Altern - 9.5

 

9.5 Gehen Sie einfühlsam mit dementen Hausgenossen um!
   

Bei der Formulierung dieses Abschnitts gehe ich wiederum davon aus, dass Sie allein mit dem zu pflegenden Hausgenossen leben. Ist dem nicht so, dann gelten auch hier meine Ausführungen für alle, die an der Pflege beteiligt sind.

Ist Ihr Hausgenosse dement, so erhält er gemäß §§ 45a und 45b des Pflegeversicherungsgesetzes "zusätzliche Betreuungsleistungen", und zwar auch dann, wenn er noch keinen Anspruch auf Pflegeleistungen nach Stufe 1 hat. Ihre Höhe beträgt je nach dem Schweregrad der Betreuungsbedürftigkeit 100 oder 200 Euro monatlich. Die zweckentsprechende Verwendung muss gegenüber der Pflegekasse nachgewiesen werden.

Wird Ihr Hausgenosse vergesslich, müde, unkonzentriert oder unruhig, so reden Sie ihm zu, mit Ihnen einen Geriater, ein Geriatrisches Zentrum oder eine Klinik für Altersmedizin aufzusuchen. Weiß sein Hausarzt schon von diesen Symptomen, meint aber, sie beruhten auf dem Altern Ihres Hausgenossen und müssten hingenommen oder von ihm - dem Hausarzt - selbst medikamentös behandelt werden, so verlassen Sie sich nicht darauf, sondern bestehen auf der Überweisung.

Der Geriater wird zunächst einen Intelligenztest durchführen ( http://de.wikipedia.org/wiki/Mini-Mental-Status-Test, http://de.wikipedia.org/wiki/Uhren-Zeichen-Test, http://de.wikipedia.org/wiki/DemTect ). Vielleicht gelangt er dabei zu dem Ergebnis, es bestehe bisher nur ein Mild Cognitive Impairment (MCI). Das ist ein altersbedingtes Nachlassen von Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit, das zwar über eine gewisse "altersentsprechende" Leistungsabnahme hinausgeht, aber noch keine Demenz bedeutet. Sie können sich damit trösten, dass nur etwa 10 % der Patienten, bei denen ein solches MCI festgestellt wird, später tatsächlich dement werden.

Stellt der Geriater schon den Beginn einer Demenz fest, so wird er nicht nur versuchen, das Fortschreiten medikamentös aufzuhalten, sondern Ihnen auch raten, wie Sie Ihren Hausgenossen möglichst lange fit erhalten können.

Will Ihr Hausgenosse das, verliert aber mehr und mehr sein Kurzzeitgedächtnis, so versuchen Sie wenigstens, Vergangenes möglichst lange in seiner Erinnerung zu halten. Ratschläge dazu finden Sie auf meiner Homepage www.ma-ha-schulze.de in meinem Beitrag über "Die freiberuflich tätige Pflegefachkraft" unter Nr. 8.

Halten Sie außerdem Ihren Hausgenossen an, alles selbst zu tun, was er noch kann, und haben Geduld mit ihm, sofern das länger dauert, als täten Sie es selbst. Ziehen Sie ihn zu allen ihm möglichen Verrichtungen im Haushalt heran, auch wenn er Ihnen früher den Haushalt allein überlassen hatte, spielen einfache Spiele mit ihm und halten sich auf dem Laufenden darüber, was Sie sonst noch tun könnten, sowohl im Internet, wie auch im Erfahrungsaustausch mit anderen Pflegepersonen von Dementen. Fragen Sie die Kirchen, die Arbeiterwohlfahrt und wer sonst in Ihrer Stadt dafür in Frage kommt, nach solchen Gruppen.

Hat Ihr Hausgenosse früher gern getanzt, so suchen Sie jedenfalls in Nordrhein-Westfalen nach der nächsten Tanzgruppe für Menschen mit Demenz www.demenzservice-nrw.de/content/artikel_239_46.html und regen, wenn Sie nicht in Nordrhein-Westfalen leben, den zuständigen Landesseniorenrat an sich für entsprechende Angebote einzusetzen. Sehen Sie außerdem, was Sie von den Seiten www.ff100.de, www.bewegung-bei-demenz.de, www.dbs-npc.de/DesktopDefault.aspx an Übungen für Ihren Hausgenossen verwenden können.

Will Ihr Hausgenosse gelegentlich etwas nicht tun, obwohl er es könnte, so erinnern Sie ihn zunächst an seinen Entschluss, fit zu bleiben. Nützt das nichts und besteht keine Eile, so erinnern Sie ihn freundlich kurze Zeit später erneut. Andernfalls tun Sie es selbst.

Will Ihr Hausgenosse sich dagegen nicht anstrengen, fit zu bleiben, so respektieren Sie aber auch das. Entscheidend ist jetzt nur noch das Wohlbefinden Ihres Hausgenossen, auch wenn sich damit vielleicht der geistige Abbau beschleunigt und der Tod früher eintritt, als anderenfalls. Lassen Sie Ihren Hausgenossen also aufstehen, zu Bett gehen, essen und trinken, fernsehen usw., wann er will. Verwehren Sie ihm nicht, was er tun möchte, es sei denn, es schadete ihm.

Seien Sie möglichst immer für ihn da, wenn er Sie braucht, und hören ihm insbesondere geduldig zu. Fragt er Sie zum x-ten male, von wo oder von wem etwas sei, so antworten Sie nicht: "Das hat Y Dir doch mitgebracht! ", sondern schlicht und fröhlich: " Das hat Y Dir mitgebracht." Halten Sie ihm nicht vor, etwas gerade erst gesagt oder gefragt zu haben. Solche Hinweise erinnern ihn nur unnötigerweise an seine Behinderung.

Beantworten Sie Fragen, die keinen Sinn haben, in einer Weise, dass Ihre Antwort Ihren Hausgenossen nicht beunruhigt. Verbessern Sie ihn nicht, wenn er etwas falsch sagt, Namen verwechselt oder dergleichen, es sei denn, es ginge nicht anders, wie etwa, im Falle einer Ehefrau, die mir schrieb: "Im Allgemeinen lasse ich ihn in seiner Welt. Aber immer geht das nicht. Wenn ich unbedingt seine Frau anrufen soll, damit sie ihn endlich nach Hause holt, oder wenn ich seine Mutter hereinlassen soll, die von draußen nach ihm ruft, dann muss ich ihm schon klar machen, dass ich selbst seine Frau bin, bzw. dass er die Stimme seiner Mutter nicht gehört haben kann. Ich muss ihm immer wieder einmal sagen, dass Vater, Mutter und Geschwister schon in der Ewigkeit sind".

Will Ihr Hausgenosse "nach Hause", so meint er damit wahrscheinlich sein Elternhaus. Vielleicht trösten Sie ihn damit, dass sie weit weg wohnten, aber gewiss bald einmal hinführen.

Stellen Sie in Gegenwart anderer eine falsche Äußerung nur richtig, wenn das unbedingt sein muss.

Achten Sie darauf, dass auch Besucher in dieser Weise mit Ihrem Hausgenossen umgehen. Tun sie es trotz vorheriger Belehrung nicht, so laden Sie sie nicht wieder ein.

Zunächst bedeutet es für Sie ein gewisses Erfolgserlebnis, richtig reagiert zu haben. Allmählich werden Sie sich immer seltener dabei ertappen, etwas falsch zu machen.

Ist Ihr Hausgenosse einmal mit dem Essen nicht zufrieden, so lassen Sie das geduldig über sich ergehen: "Das tut mir leid. Morgen wird es Dir bestimmt wieder schmecken".

Halten Sie ihn aber an, sich massieren zu lassen und bei der Krankengymnastik mitzumachen, damit er nicht steif wird.

Bietet Ihnen jemand Hilfe an, so bitten Sie ihn, etwas außer Hause für Sie zu erledigen, um selbst als Bezugsperson bei Ihrem Hausgenossen bleiben zu können, es sei denn, das Angebot komme von jemandem, den Ihr Hausgenosse gut kennt und mag.

Lassen Sie ihm außerdem von seinem Hausarzt (s.o. zu 9.3.1 und 9.3.2) einen Hausnotruf verordnen und hängen ihm, wenn Sie das Haus verlassen müssen, den Signalgeber um den Hals.

Droht Ihr Hausgenosse wegzulaufen, so verschließen Sie die Wohnungstür. Befestigen Sie für den Fall, dass die Tür einmal unverschlossen ist, an den Ärmeln seiner Kleidung Armbinden, die ihn als behindert kennzeichnen und stecken ihm einen Zettel mit Anschrift und Telefonnummer in die Tasche. Ist er damit einverstanden, so hängen Sie ihm tagsüber einen Minisender um den Hals oder befestigen ihn über seinem Fußgelenk, je nachdem, was ihm lieber und was sicherer ist, so dass er über ein Ortungssystem gefunden werden kann (vgl. dazu "Personenortungsgeräte" bei www.deutsche-alzheimer.de unter "Technische Hilfen" auf der Unterseite "Hilfen für Angehörige und Kranke").

Kennzeichnen Sie den Weg zur Toilette, wenn er diesen sonst nicht findet, mit einem Klebeband, das, wenn es tagsüber Licht aufgenommen hat, des Nachts leuchtet.

Sind Sie noch berufstätig, so bringen Sie Ihren Hausgenossen, wenn und solange Sie ihn dazu bewegen können, tagsüber auf dem Weg zur Arbeit in eine Altentagesstätte (vgl. dazu den Artikel über " Altentagesstätte ") oder lassen ihn dorthin holen und am Nachmittag wieder zurückbringen, wenn Sie ihn nicht selbst holen können. Sie können ihren Hausgenossen aber auch dann in eine Tagesstätte bringen, wenn Sie nicht mehr arbeiten, und können dann wahrscheinlich sogar bei Ihrem Hausgenossen bleiben, wenn er allein nicht gehen würde. Besprechen Sie mit der Pflegekasse, inwieweit diese die Kosten dafür übernehmen würde.

Hat Ihr Hausgenosse eine Fahrerlaubnis, so fragen Sie den Geriater, ob er weiterhin fahren darf. Wird das verneint, will aber Ihr Hausgenosse das Fahren nicht aufgeben, so versuchen Sie ihm klarzumachen, dass er sich und andere gefährdet und Sie selbst sich große Sorgen um ihn machen. Nützt das nichts, so verständigen Sie bei Fahrtantritt die Polizei, wohin Ihr Hausgenosse fahren will und bitten Sie ihm unauffällig zu folgen, um einen etwaigen Fahrfehler festzustellen. Verfährt Ihr Hausgenosse sich und sucht orientierungslos nach seinem Weg, überfährt er eine Ampel bei rot oder bleibt bei grün stehen, behindert er andere Verkehrsteilnehmer oder fährt er gar Zick-Zack, so hat die Polizei einen guten Grund ihm den Führerschein abzunehmen. Macht Ihr Hausgenosse bei dieser Fahrt keinen Fehler, so beraten Sie sich mit dem Facharzt über den nächsten Schritt. Wiegen die Bedenken des Geriaters gegen die Fahrttüchtigkeit so schwer, dass Sie nunmehr aufgrund seines schriftlichen Gutachtens die Straßenverkehrsbehörde zum Eingreifen veranlassen müssen, so tun Sie das. Der Geriater macht sich durch die Erstattung des Gutachtens nicht des Geheimnisbruchs strafbar, weil der Schutz der Allgemeinheit ein höheres Gut ist, als das Recht Ihres Hausgenossen auf informationelle Selbstbestimmung. Ihrem Hausgenossen brauchen Sie nicht zu sagen, Sie selbst hätten die Straßenverkehrsbehörde eingeschaltet, so dass nicht einmal dies Ihr Verhältnis zueinander belasten würde.

Kann er warme Nahrung mit Besteck nicht mehr selbst zum Munde führen, so vielleicht noch mit der Hand, evtl. von Ihnen auf Spießchen gesteckt, oder Sie reichen ihm Essen dar (füttern ihn). Kann er Tasse oder Glas nicht mehr zum Munde führen, so tun Sie es selbst, lassen ihn dann aber möglichst noch selbst mit der Hand dirigieren, wie schnell er trinken will. Geht das nicht, so geben Sie ihm einen Strohhalm.

Will Ihr Hausgenosse nicht mehr essen und trinken und versteht nicht mehr Ihre Frage nach dem Grund, oder läuft ihm Nahrung aus dem Mund, so könnte er Schluckbeschwerden haben. Konsultieren Sie dann einen Facharzt für HNO. Stellt dieser tatsächlich eine Schluckstörung fest, so lassen Sie Ihrem Hausgenossen nach Beratung mit seinem Hausarzt, gleichfalls eine PEG legen, jetzt aber eine solche, durch die Sie ihm Nahrung aus der Apotheke zuführen können.

Ist sein Schluckreflex dagegen nicht gestört, so bieten sie ihm zwar immer wieder einmal zu essen und zu trinken an, finden sich aber mit seiner Weigerung ab, wenn das nichts nützt. Der Körper braucht dann keine Nahrung mehr. Das Leben will verlöschen. Hindern Sie es nicht daran. Tun Sie nur alles, um Ihrem Hausgenossen das Sterben an Auszehrung zu erleichtern. Wie das möglich ist, besprechen Sie mit seinem Hausarzt.

Bekommt Ihr Hausgenosse schon vorher eine Krankheit, die, unbehandelt, zum Tode führt, so fragen Sie ihn, ob er deren Behandlung wünscht. Versteht er diese Frage nicht mehr, so überlegen Sie mit seinem Hausarzt, ob Sie die Krankheit behandeln lassen sollten.

Ist die Auszehrung Ihres Hausgenossen soweit fortgeschritten, dass Sie mit seinem Ableben rechnen müssen, so schalten Sie zu Ihrer Entlastung gleichfalls einen Hospizdienst ein (s.o. zu 9.4 am Ende).

Auf der Seite des Bundesfamilienministeriums www.wegweiser-demenz.de finden Sie

- Informationen zu Therapie-, Pflege- und Hilfsangeboten, zu gesetzlichen Leistungen und den Rechten und Pflichten von Demenzkranken und ihren Angehörigen;

- Videomaterial mit Beispielen für den Umgang mit der Krankheit;

- Einen Weblog und Ratgeberforen für den Austausch und die Vernetzung der Nutzerinnen und Nutzer untereinander;

- Die Datenbank "Hilfe in meiner Nähe" mit Adressen, Öffnungszeiten und Ansprechpartnern der Anlaufstellen vor Ort, z. B. von Gesundheitsämtern, Pflegekassen oder Tagespflegeeinrichtungen.


       
      

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