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Nicht verzagen sondern wagen - 2. - 2.2.2

   

2. Zur Einführung
  

2.1 Sie können mehr als Sie denken
   

"Gott legt uns eine Last auf", heißt es in Psalm 68, Vers 20, "aber er hilft uns auch." Daran können Sie sich festhalten, wenn Sie nicht mehr dem verlorenen Licht nachtrauern, sondern sich der neuen Herausforderung stellen, sich aller Hilfsmittel bedienen, die es für uns gibt ( s. u. zu 5 ) und die Trainingsmöglichkeiten nutzen, die uns angeboten werden ( s. u. zu 2.2 ). Denken Sie außerdem selbst darüber nach, wie Sie mit Schwierigkeiten fertig werden können, die sich aus Ihrer Erblindung ergeben.

Bedenken Sie: Alles, was Sie jetzt wieder selbst tun, wird Ihnen die Last Ihrer Blindheit erleichtern und wird, wenn Sie nicht allein leben, auch Ihre Hausgenossen entlasten. Es wird dazu beitragen, Ihnen ein selbständigeres Weiterleben zu ermöglichen – und je besser Ihnen das gelingt, desto mehr gewinnen Sie auch wieder an Ausgeglichenheit und Lebensfreude.

Ich bin selbst blind und 87 Jahre alt, bin der Beauftragte für Seniorenangelegenheiten des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten (DVBS) und habe früher als Beauftragter für Blinden- und Sehbehindertendienst der Evangelischen Landeskirche in Baden häufig mit Menschen gesprochen, die erst im hohen Alter erblindet sind, habe alle mir erreichbaren in- und ausländischen Quellen ausgewertet und mich überdies von Anderen beraten lassen, die in der Rehabilitation von Altersblinden tätig sind. Mit diesen Erfahrungen möchte ich Ihnen zeigen, welche großartigen Möglichkeiten Sie noch haben. So bin ich zuversichtlich, Ihnen Mut machen zu können, etwas zu wagen, statt zu verzagen.

Sie haben wahrscheinlich ein ganzes Leben lang Blinde als höchst bedauernswerte und hilflose Geschöpfe angesehen. Glücklicherweise ist Ihre Vorstellung falsch. Sie können sich leicht davon überzeugen. Dazu brauchen Sie freilich ein bisschen Mut, Energie und Ausdauer. Aber alle diese Eigenschaften, die gerade unsere Generation häufig unter Beweis stellen musste, sind uns trotz unserer Erblindung erhalten geblieben.

Dieses Buch gibt Hinweise, die für alle Altersblinden von Bedeutung sein können, ob Mann oder Frau, allein oder in Gemeinschaft lebend, erst 60 oder schon 90 Jahre alt. Manche von Ihnen sind schon etwas gebrechlich oder durch kleine Missgeschicke stark verunsichert, manche noch äußerst fit. Darum werde ich manchem etwas vorschlagen, was andere noch spielend können, und umgekehrt manchem etwas, was andere hoffnungslos überfordern würde. Erinnern Sie sich daran, wenn Sie sich über einen meiner Ratschläge wundern. Ich habe nicht alles für jeden geschrieben. Meine Tips sollen Sie im Übrigen nur anregen. Lassen Sie sich durch sie nicht davon abhalten, auch nach eigenen Strategien zu suchen.

Ihnen wird vielleicht manches im Anfang misslingen. Geben Sie trotzdem nicht auf, sondern versuchen es immer wieder oder holen sich von anderen Blinden ( s. u. zu 22. ) Rat, um so allmählich Ihr Selbstvertrauen zurückzugewinnen.

Bleiben Sie auch am Leben anderer Menschen interessiert, insbesondere an dem Ihrer Kinder, Ihrer Enkel und aller, die Ihnen helfen. So bewahren Sie sich davor, sich selbst zu bedauern oder zu bemitleiden: "Die fremde Last, die ich auf mein Herz nehme, macht die eigene Last leichter" (Friedrich von Bodelschwingh).

Bisher haben Sie sich vielleicht gefragt, was Sie mit Ihrer Zeit anfangen sollten. Jetzt sind Sie herausgefordert, Ihre ganze Kraft dafür einzusetzen, wieder zu der Unabhängigkeit zu gelangen, die Sie brauchen, um ohne Angst zu leben und erfolgreich alt zu werden.

Jemand, der mit 15 Jahren erblindete und später auch noch ertaubte, hat einmal geschrieben: "Bei allem war für mich nicht die Frage: Kann ich das noch? Sondern: Wie muss ich es anpacken, damit ich es kann?" So können Sie sich auch im hohen Alter noch fragen.

 

2.2 Trainingsangebote, die mein Ratgeber nicht ersetzen kann
 

2.2.1. Training in Orientierung und Mobilität (O&M)
  

Lassen Sie sich von Ihrem Augenarzt, wenn Sie noch rüstig genug sind, allein zu gehen, einen zusammenlegbaren und einen starren weißen Langstock sowie Training in O&M verordnen. In ihm lernen Sie, wie Sie mit dem Langstock unter Ausnutzung aller Informationen, die Ihre anderen Sinne Ihnen vermitteln können, im Haus und draußen gefahrlos gehen können.

Suchen Sie dann unter www.rehalehrer.de eine Lehrerin für Orientierung und Mobilität. Sie besucht Sie zunächst, um Ihre Bedürfnisse und Wünsche kennenzulernen, und schreibt für Sie den Antrag an die Krankenkasse. Bewilligt diese nicht so viele Stunden, wie die Lehrerin für erforderlich hält, so legen Sie vorsorglich Widerspruch ein und sagen, Sie warteten mit der Begründung, bis Sie sähen, ob die bewilligte Zeit ausgereicht habe oder Sie mehr brauchten. Lassen Sie letzterenfalls Ihren Widerspruch durch  den Geschäftsführer der "Rechte behinderter Menschen" gGmbH, Rechtsanwalt Dr. Richter, der auf diese Fragen spezialisiert ist (Tel.: 06421 / 94888-32 und -35, E-Mail: recht@dvbs-online.de ), begründen. Sind Sie Mmitglied eines Landesblinden- und Sehbehindertenvereins oder des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten, so wird Rechtsanwalt Richter unentgeltlich für Sie tätig.

Die Lehrerin verhilft Ihnen zu den Langstöcken und übt mit Ihnen die erforderlichen Techniken. Schließlich sucht sie, soweit die bewilligte Zeit noch reicht, zu Örtlichkeiten, die Sie noch allein aufsuchen möchten, wie etwa Geschäfte, Kirche, Arzt, Friseur und Ihr etwaiges Stammlokal / Stammcafe, den für Sie ungefährlichsten Weg und geht ihn so oft mit Ihnen, bis Sie ihn sich eingeprägt haben. Rufen Sie sich ins Gedächtnis zurück, wie Straßen und Häuser aussahen ( s. u. zu 7.1 ).

Streben Sie nach möglichst großer Mobilität. Wollen Sie sich nach dem Training einen neuen Weg einprägen und können Ihre Hausgenossen Ihnen nicht die nötigen "Anhaltspunkte" und "Leitlinien" zeigen, so kann es vielleicht ein Nachbar oder einer Ihrer Freunde.

Auch ältere Menschen sollen, wenn sie das Training erfolgreich abgeschlossen haben, noch lernen können, mit einem Führhund zu gehen. Doch lassen Sie sich, ehe Sie bei Ihrer Krankenkasse einen Führhund beantragen, von dem für Ihren Wohnsitz zuständigen Landesblinden- und -sehbehindertenverein beraten, ob Sie sich das noch zutrauen sollten, und bedenken, dass Sie mit einem Hund bei Wind und Wetter nach draußen müssen. Den Verein erreichen Sie unter der bundeseinheitlichen Telefonnummer 01805 / 666456.

  

2.2.2. Training in lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF)
  

Wollen Sie noch selbständig Ihren Haushalt führen, so kann ich Sie auch dazu ermutigen. Viele Handgriffe, die Ihnen vertraut waren, können Sie nach wie vor ausführen, und zwar dann, wenn Sie allmählich vollständig erblindet sind. In Kap. 13 finden Sie viele Hinweise dazu. Aber es kann Verrichtungen geben, die Ihnen nicht mehr ohne weiteres von der Hand gehen. Sie dennoch wieder selbständig auszuführen, zeigt Ihnen eine Lehrerin für lebenspraktische Fähigkeiten. Auch dafür brauchen Sie eine Verordnung Ihres Augenarztes. Die Lehrerin finden Sie gleichfalls unter www.rehalehrer.de.

Einen gesetzlichen Anspruch auf dieses Training gibt es bisher allerdings nicht, sondern lediglich eine Empfehlung der Bundesverbände der Krankenkassen - ausgenommen desjenigen der allgemeinen Ortskrankenkassen -, Blinden ein medizinisches Basistraining von 20 Stunden zu bewilligen.

Es gibt Krankenkassen, die dieser Empfehlung nicht folgen, während es andererseits allgemeine Ortskrankenkassen gibt, die ein Training gewähren. Lassen sie es darum auch als AOK-Mitglied von Ihrer Lehrerin beantragen. Sind Sie beihilfeberechtigt, so weisen Sie bei der Antragstellung auf diese Empfehlung hin. Allerdings übernehmen die Krankenkassen nicht die Fahrtkosten der Lehrerin und folgen auch oft ihren Vergütungsvorstellungen nicht.

Ist das Training bewilligt, so überlegen Sie mit der Lehrerin, wie Sie die Zeit am besten nutzen. So können Sie lernen, wie sie
- mit der Blindenschriftmaschine umgehen ( s. u. zu 4.1 ),
- auf der Schwarzschrifttafel schreiben ( s. u. zu 4.4 ),
- Ihre Kleidungsstücke markieren ( s. u. zu 8.3 ),
- richtig mit Messer und Gabel essen ( s. u. zu 12 ) und
- Ihren Haushalt führen.

Wird Ihnen kein Training gewährt oder reicht die Trainingszeit nicht aus und erfüllen Sie die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, so stellen Sie auch beim Sozialamt einen Antrag.
   

  

  
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