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Wilhelm Steinberg

 

Prof. Dr. Wilhelm Steinberg
26. März 1893 - 27. Juni 1984
  

Ich traue mir nicht zu, das Leben dieses Schicksalsgefährten zu würdigen, Aber ich möchte wenigstens noch einmal seiner gedenken, nachdem sein Tod bisher nirgends angezeigt worden ist. Ich beziehe mich dabei zum Teil auf die Ausführungen von Strehl zum 75. Geburtstag Steinbergs in der Blindenschriftausgabe der Marburger Beiträge 1968 S. 114.
In Breslau geboren, besuchte Steinberg die dortige Blindenschule (vgl. zu deren Geschichte Fischer in Jurczek, Geschichte der Blindenbildungsanstalten in Deutschland, S. 25 ff.). Wann Steinberg in die Schule eintrat, wissen wir nicht. Bemerkenswert ist aber, dass gerade im Jahre 1899, als er sechs Jahre alt war, der Verwaltungsrat beschloss, für 6- bis 10jährige Blinde, die bis dahin unbeschult geblieben waren, eine ”Vorschule” zu errichten. Davon mag auch Steinberg profitiert haben.
Später legte er an einem Breslauer Gymnasium die Reifeprüfung ab - wobei uns wiederum nicht überliefert ist, wie ihm das damals ohne einschlägige Blindenschriftliteratur möglich war -, studierte Philosophie, Psychologie, Geschichte und Literaturgeschichte in Breslau, Hamburg und Marburg, promovierte 1919 und habilitierte sich 1921 an der Technischen Hochschule Breslau als Privatdozent für Philosophie und Psychologie. Er lehrte dort bis 1937 oder 1938. Dann wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen, weil er, wie wir heute wissen, Vierteljude war.
Er fand Unterschlupf bei der ”Westfälischen Blindenarbeit” in Dortmund, wo deren Geschäftsführer, unser Schicksalsgefährte P.Th. Meurer seine schützende Hand über ihn hielt, indem er ihm Arbeiten übertrug, bei deren Verrichtung Steinberg nicht nach außen in Erscheinung treten musste.
Ab 1946 war er dann bis zu seiner Pensionierung als Lehrer der Erziehungswissenschaften an der pädagogischen Akademie Bielefeld tätig, seit 1954 in einer Planstelle für ordentliche Universitätsprofessoren. Steinberg ist durch die Veröffentlichung zahlreicher wissenschaftlicher Werke hervorgetreten. Genannt seien hier nur diejenigen, die sich speziell mit uns Blinden befassen:

- Die Raumwahrnehmung der Blinden, 1920;
- Hauptprobleme der Blindenpsychologie, 1927, und
- Vom Innenleben blinder Menschen, 1955.
  

Mag auch unser heutiger Erkenntnisstand in Bezug auf Blinde infolge besserer Untersuchungsmethoden und ständigen internationalen Erfahrungsaustausches über denjenigen Steinbergs hinausgehen, so ist doch eine seiner Erkenntnisse für uns noch immer ebenso wichtig wie zu der Zeit, als er sie niederschrieb, daß nämlich wir Blinden auf eine unseren Fähigkeiten entsprechende berufliche Tätigkeit ganz besonders angewiesen sind. Was Steinberg dazu in seinem Aufsatz über ”Die Berufsarbeit in ihrer seelischen Bedeutung für die Blinden” in der Blindenschriftausgabe der Marburger Beiträge 1930 S. 449 ff. schrieb, habe ich in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1985, Blindenschriftausgabe S. 9 ff. = Schwarzschriftausgabe (horus) S. 176 ff. teilweise wörtlich zitiert, ohne zu wissen, daß Steinberg damals bereits verstorben war.
Ich erinnere mich gern und dankbar an diesen gütigen und bescheidenen Mann, der mir, als er im Verborgenen bei der Westfälischen Blindenarbeit tätig war, meinen ersten Französischunterricht gab. Sein Buch “Vom Innenleben blinder Menschen” hat mir, obwohl ich schon erwachsen war, als es erschien, noch zu mancher Erkenntnis über mich selbst verholfen. Möchte es auch anderen so ergangen sein und möchte Steinberg mit diesem Buch unter uns weiterleben!
  

Dr. Hans-Eugen Schulze, Karlsruhe

  

  

  

  



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