Inhalt Rechts

Rechte optische Spalte

Sprachauswahl

Dritte Spalte

Inhalt Mitte

Breadcrump Menü

Sie sind hier:

Hauptinhalt

.

Wohnstiftratgeber 16. - 18.

Springe zu

  

16.1 Hören statt sehen und Stimmen unterscheiden         16.2 Fühlen und Betasten statt Sehen

16.3 Riechen statt Sehen         17. Schönes und Interessantes genießen         18. Blumen pflegen

  


   
16. Hören, Fühlen, Betasten und Riechen
  

Diese vier Fähigkeiten, vor allem die ersten drei haben jetzt für Sie, wenn Sie nichts oder fast gar nichts mehr sehen können, sehr viel größere Bedeutung als früher. Sie lernen allmählich, die Informationen besser auszuwerten, die sie vermitteln.

  

16.1 Hören statt sehen und Stimmen unterscheiden
    

Hörten Sie früher etwas, so haben Sie, auch wenn Sie an sich wussten, was es war, trotzdem automatisch hingesehen. Jetzt können Sie das vielleicht nicht mehr. Aber im Allgemeinen wäre es auch früher nicht nötig gewesen.
 

Im Dunkeln haben Sie schon früher Ihrem Gehör vertraut. Auch haben Sie allein mit dem Gehör bemerkt, wenn mit Ihrem PKW oder Ihrer Spülmaschine etwas nicht stimmte, wenn Ihr Radio nicht optimal eingestellt war oder wenn sich beim Musizieren jemand verspielte. So gut ist Ihr Gehör! Sie werden lernen, sich seiner noch sehr viel mehr zu bedienen als bisher. Sie müssen nur mehr Vertrauen zu ihm haben. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie sich dabei einmal täuschen sollten.
  

Auf der Straße üben Sie Ihr Gehör, indem Sie versuchen, LKWs, Busse und Pkws voneinander zu unterscheiden.
  

Sie werden sich mehr und mehr daran gewöhnen, Menschen an der Stimme zu unterscheiden, können Sie Verwandte und Freunde doch sogar am Telefon erkennen, wenn sie nicht ihre Namen nennen. Erkennen Sie jemanden noch nicht an seiner Stimme, so scheuen Sie sich nicht, ihn nach seinem Namen zu fragen. Bitten Sie außerdem jeden, Sie selbst nicht nur mit "Guten Morgen" usw. zu grüßen, sondern Ihren Namen zu sagen; denn je mehr Sie von jemandem hören, desto leichter können Sie ihn aufgrund seiner Stimme identifizieren. Er wird gewiss Verständnis dafür haben.
  

Im Laufe der Zeit werden Sie übrigens auch mehr und mehr erkennen, in welcher Stimmung Ihr Gesprächspartner sich gerade befindet.
  

Sprechen Sie mit jemandem, so denken Sie nicht, Sie müssten ihm jetzt, weil Sie ihn nicht mehr sehen, Ihr Ohr zuwenden. Richten Sie vielmehr nach wie vor Ihre Augen auf ihn und beachten dabei auch, ob er wesentlich größer oder kleiner ist als Sie. Nur so wird er sich wirklich angesprochen fühlen.
  

Sie können auch hören, aus welcher Richtung eine Stimme kommt und ob der Sprecher Ihnen oder jemand anderem sein Gesicht zuwendet.
  

Da Sie jetzt auf besonders gutes Hören angewiesen sind, brauchen Sie möglicherweise Hörgeräte. Haben Sie einmal gelernt, sie einzusetzen, so ist der Umgang mit ihnen einfach und ihre Benutzung für Sie, je nach dem Grad Ihres Hörverlustes, eine mehr oder weniger große Erleichterung. Sie sollten sie sich sogar dann verordnen lassen, wenn Sie beim Rundfunkhören oder Fernsehen nicht mehr alle Menschen gleich gut verstehen.

  

16.2 Fühlen und Betasten statt Sehen
 

Was Sie mit den Händen taten, haben Sie früher, soweit das möglich war, automatisch mit den Augen kontrolliert, obwohl das meist entbehrlich gewesen wäre. Sie werden, wenn nicht längst geschehen, alsbald merken, wie viele Informationen Ihr Tastsinn Ihnen auch so vermittelt. Sie haben vieles auch früher schon im Dunkeln getan oder gesucht, haben auf dem Rücken einen Knopf geschlossen, einen Reißverschluss zugezogen oder gar eine Schleife gebunden, haben etwas in der Mantel- oder Jackentasche gesucht und in einem Kleidungsstück die Ärmellöcher gefunden; und wenn Sie früher gehandarbeitet haben: Was haben Sie nicht alles mit Ihren Fingern gemacht, ohne dauernd hinzusehen! Erinnern Sie sich jetzt an alles das! So, wie Sie früher des Nachts einen Schalter fanden, können Sie jetzt auch eine Türklinke, das Schlüsselloch, eine Steckdose oder den Wasserhahn finden!
  

Benutzen Sie aber zum Arbeiten nach Möglichkeit beide Hände! Einen kleinen Gegenstand, den Sie noch nicht kennen, nehmen Sie zwar später in nur eine Hand, benutzen aber, um Ihn vor Ihrem geistigen Auge richtig entstehen zu lassen, beide Hände.
  

Betasten Sie auch Gegenstände, die Sie unterscheiden wollen, sorgfältig mit beiden Händen, um sich ihre Form und ihren sonstigen Merkmale genau einzuprägen.
  

Lassen Sie sich beim Betasten außerdem Zeit! Ein nur flüchtiges Hingreifen lässt leicht einen falschen Eindruck entstehen. Scheuen Sie sich auch nicht, darum zu bitten, Ihnen Gegenstände, die anderen nur gezeigt werden, in die Hand zu geben!
  

Sie brauchen Ihren Tastsinn jetzt unter anderem, um

  • Kleidungs- und Wäschestücke, kleine Schlüssel, Münzen, Medikamente usw. voneinander zu unterscheiden;
      

  • zu fühlen, ob eine Fläche, auf die Sie etwas legen, auf der Sie arbeiten oder auf die Sie sich setzen wollen, sauber, trocken, klebrig, krümelig oder staubig ist;
      

  • zu prüfen, ob Gemüse frisch oder welk ist, Obst schon weiche und damit vielleicht schlechte Stellen hat usw., und
      

  • beispielsweise Pfirsiche, Nektarinen und Tomaten zu unterscheiden.
      

Nehmen Sie, um Ihren Tastsinn zu üben, möglichst viele kleine Gegenstände in die Hand und versuchen, gleichartige, wie etwa kleine Schlüssel und Münzen, an ihren Feinheiten zu unterscheiden. Wollen Sie Ihr Unterscheidungsvermögen noch weiter trainieren, so können Sie Sie

  • unsere acht Münzen genau betasten, mit dem Fingernagel die durchgehende bzw. unterschiedliche Riffelung der 2- und 1-Euromünzen feststellen, mehrere Sätze mischen und in acht Gefäße sortieren und
      

  • mit Erbsen, Bohnen, Linsen, Reis, Erdnuss-, Kürbis- und Sonnenblumenkernen ebenso verfahren.
      

Auf manchem Bezugsstoff können Sie ein Muster fühlen und mit den Fingern verfolgen, ebenso auf Häkeldecken. Im Kleiderschrank betasten Sie die Stoffe und die Machart Ihrer Kleidung. Von den meisten wissen Sie noch, wie sie aussehen. Jetzt wissen Sie auch, wie sie sich anfühlen und können die geistige Verbindung zwischen Ihrem Tasteindruck und Ihrer Seherinnerung herstellen. Danach können Sie sich dann auch ein für allemal vorstellen, wie ein neues Kleidungsstück aussieht, das Sie kaufen wollen und das man Ihnen farblich gut erklärt. Wo sich Stoffe gleich anfühlen, unterscheiden Sie Kleidungsstücke, wenn nicht an ihrer Machart, so vielleicht an Einzelheiten, wie etwa der Zahl der Knöpfe, dem Sitz des Reißverschlusses usw. Suchen Sie danach!
  

Haben sie geschliffene Gläser, Vasen oder Teller, so versuchen Sie, deren Schliff genau abzutasten!
  

Am Besten üben Sie Ihren Tastsinn natürlich, indem Sie die Blindenschrift lernen ( siehe oben 12.1 ). Trauen Sie sich das (noch) nicht zu und haben früher Karten gespielt, so lassen Sie sich von einem Hilfsmittelanbieter wenigstens ein Kartenspiel mit großen tastbaren Symbolen schicken und sortieren Sie die Karten immer wieder neu nach ihrem Wert, nachdem Sie sie vorher gründlich gemischt haben.
  

Sie werden staunen, was Sie auch mit Ihren Füßen wahrnehmen können, vor allem, wenn Sie nur in Strümpfen oder gar barfuss gehen. Aber geben Sie Acht, sich nicht die Zehen zu stoßen. Besonders gefährlich sind Stuhlbeine. Am besten drehen Sie in deren Nähe die Füße immer etwas nach innen.

  

16.3 Riechen statt Sehen
 

Der Geruchssinn hilft Ihnen, zwischen Zahnpasta und Hautcreme zu unterscheiden. Er kann Ihnen auch sagen, was in einer Tasse oder einer Schüssel ist, ob Sie schon Milch im Kaffee haben usw. Und er kann Ihnen helfen, sich weiterhin an Blumen zu freuen.

  

17. Schönes und Interessantes genießen
  

Ihre Möglichkeit, Konzerte zu besuchen und zu Hause Musik zu hören, ist Ihnen glücklicherweise voll erhalten geblieben. Für den Konzertbesuch brauchen Sie zwar vielleicht Begleitung, auf Grund Ihres Schwerbehindertenausweises genießt sie aber im Allgemeinen freien Eintritt.
  

Sie können auch noch in Ihrem Chor mitsingen. Dazu brauchten Sie sich nur vorher Ihre Stimme und den Text auf Kassette spielen und lesen zu lassen.
  

Auf Ihrem Musikinstrument können Sie weiterhin spielen, wenn auch nicht mehr vom Blatt, so doch noch aus dem Gedächtnis oder nach Gehör.
  

Theaterstücke, Kino- und Fernsehfilme bereiten uns dagegen Schwierigkeiten. Im öffentlichen Fernsehen und in Kinos gibt es aber gelegentlich Filme mit Audiodescription: Diese macht aus Filmen blindengerechte Hörfilme. Akustischen Untertiteln vergleichbar, beschreibt eine Audiodeskription in knappen Worten zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekors. Die Ansagen werden in den Dialogpausen gemacht und sind vom zweiten Tonkanal, im Kino mit einem Kopfhörer, zu hören, können allerdings im Fernsehen mit einem Monogerät nicht empfangen werden.
  

Sendetermine und Hinweise zum Empfang von Hörfilmen finden Sie auf der Seite der Deutschen Hörfilm GmbH. Im Theater erfolgt Audiodescription - über Kopfhörer - bisher nur äußerst selten.
  

Doch Fußballspiele verfolgen Sie künftig im Hörfunk. Sie können sich dann gleichfalls gut vorstellen, was geschieht, wenn auch immer erst etwas zeitverzögert und nur mit den Augen des Kommentators.
  

Blumen sehen Sie zwar vielleicht nicht mehr. Genießen Sie umso mehr ihren Duft, wenn Ihre Freunde beim Kauf darauf geachtet haben.
  

Bilder, die in Ihrem Apartment hängen, können Sie zwar vielleicht nicht mehr sehen. Aber die Erinnerung daran ist Ihnen geblieben. Stehen Sie vor einem solchen Bilde und berühren seinen Rahmen, so mag diese Erinnerung besonders lebhaft, am Anfang vielleicht besonders schmerzlich sein, aber nachher hoffentlich immer leuchtender werden. Geben Sie sich jetzt erst einmal dieser Hoffnung hin. Schon das kann Ihnen im Augenblick ein bisschen helfen. Das gilt ebenso für alle anderen bildlichen Darstellungen und Muster in Ihrem Apartment, wie etwa auf Vasen, Geschirr oder Wandtellern. Schenkt man Ihnen einen neuen derartigen Gegenstand, so lassen Sie ihn sich gegebenenfalls genau erklären und machen sich so gleichfalls eine Vorstellung davon.
  

Lassen Sie sich jetzt aber, wenn Sie nicht mehr genügend sehen, lieber Vasen und dergleichen aus Kristall schenken und erfreuen sich an Ihrem Schliff. Es sollten möglichst Dinge sein, mit denen Sie automatisch in Berührung kommen, um sich immer wieder einmal daran erfreuen zu können. Zur Anregung: Meine Briefklammern im Schreibtisch liegen in einem kleinen, schweren Aschenbecher in Flächenschliff, die von mir bevorzugten Mandeln und Bonbons in reich geschliffenen Unter- und Oberteil einer Bonbonnière, die von mir geschätzten Vollkornplätzchen in einer großen Schale, wiederum mit Flächenschliff. Hinter mir hängt eine Plastik des blinden Künstlers Dario Malkowski, die ich jedes Mal berühre, wenn ich etwas an einer bestimmten Stelle in mein Bücherregal lege. Auf meiner Rotweinflasche steckt ein mit einem schön bearbeiteten Halbedelstein geschmückter Korken, ein "Handschmeichler". An der Klinke zu meiner Küchentür hängt ein kleines Kreuz, das mich an einen Urlaub in Kenia erinnert.

Vielleicht freuen Sie sich aber auch an Schnitzereien aus Holz, Elfenbein oder Speckstein, an Bronzeplastiken, Figuren aus Glas oder Porzellan oder an dem Klang kleiner Glocken. Versuchen Sie, alle diese schönen Dinge, die Sie nicht mehr sehen können, aber noch in guter Erinnerung haben, jetzt mit der Hand zu erkennen und dadurch Ihre Erinnerung wach zu halten.
  

Haben Sie früher selbst geschnitzt oder gemalt, so könnten Sie jetzt, wenn Sie dafür nicht mehr genügend sehen, versuchen, in Ton zu modellieren oder Teppiche zu knüpfen und dabei neue Muster zu entwickeln.
  

Bei der Führung durch Kirchen und Museen reicht oft nicht die Zeit, etwas zu betasten, oder ist das sogar verboten. Deshalb bieten Blinden- und Sehbehindertenorganisationen sowie einzelne Reiseunternehmen immer häufiger spezielle Reisen an, bei denen man auf die Bedarfe Blinder einzugehen versucht. Reisen wir privat und sind zeitlich nicht gebunden, so wird man uns auf unsere Bitte das Berühren vielfach auch dort gestatten, wo es an sich verboten ist, zumal, wenn wir Latexhandschuhe aus Drogerie oder Apotheke mit uns führen. Schrecken Sie andererseits nicht davor zurück, sich beim Betasten die Hände schmutzig zu machen. Sie leben jetzt schließlich vor allem von den Eindrücken, die Ihnen - außer durch Ihr Gehör - durch Ihre Hände vermittelt werden. Haben Sie dafür aber auch immer genügend Papiertaschentücher oder Feuchttüchlein bei sich.

 

18. Blumen pflegen
 

Wie Sie auch nach Ihrer Erblindung noch Blumen und Zimmerpflanzen pflegen, lernen Sie am besten in einem einwöchigen Kursus bei der selbst blinden Pastorin Zacharias, die in Radeberg bei Dresden eine Einrichtung mit einem gut angelegten "Blindengarten" leitet (Tel.: 03528 / 4397-0, E-Mail: info@taubblindendienst.de, Internet: www.taubblindendienst.de ).
  

Ich gebe Ihnen darum nur wenige Tips für den Anfang:

Vielleicht setzen Sie selbst Blumenzwiebeln und Stecklinge, um sich später an deren Wachsen zu erfreuen. Stecklinge setzen Sie gleichfalls sofort in die Erde. Das ist einfacher für Sie, als sie zunächst im Wasser Wurzeln treiben zu lassen. Achten Sie darauf, dass die Erde im Blumentopf mindestens einen Zentimeter unter dem Topfrand endet, damit Sie nicht gleich Erde hinausspülen, wenn Sie einmal etwas zuviel gießen sollten. Die Untersetzer unter Ihren Töpfen sollten so groß sein, dass Sie zwischen Topf und Rand noch mit dem Finger kontrollieren können, ob und gegebenenfalls wie viel Wasser in ihnen steht.
  

Es gibt Zimmerpflanzen, die duften, wenn man sie berührt. Frau Zacharias hat ein Buch "Duftpflanzen im Blindengarten Storchennest" geschrieben, das demnächst in neuer Auflage erscheinen wird. Bitte, erkundigen Sie sich bei ihr, ob es schon erschienen ist, wenn sie diesen Hinweis lesen und fragen auch, wo Sie es auf Daisy-CD kaufen können.
  

Für Schnittblumen verwenden Sie nur besonders standfeste Vasen und stellen sie so auf, dass Sie nie versehentlich daran stoßen.
 

Werden Sie gefragt, welches Ihre Lieblingsblumen seien, so wird, wenn Sie nichts mehr sehen, deren Duft entscheiden. Aber wenn Sie vorsichtig fühlen, können Sie auch noch die Form einer Blume erkennen und sich an ihr auf Grund ihrer Seherinnerung gleichfalls erfreuen.
  

Düfte lassen sich auch künstlich erzeugen. So können Sie Ihrem Appartement eine eigene Note geben, wenn Ihnen das Freude macht.

  

  

  

   Weiter im Text

  

  



.