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Professionell helfen - 2. - 2.3

2. Sehgeschädigte Heimbewohner

2.1 Vorbemerkung
 

Unter Heimbewohnern verstehe ich auch Menschen, die in Wohnstiften, Hausgemeinschaften und betreuten Wohnanlagen leben, wobei für die letzteren auch wesentliche Teile der Ausführungen zu 3) gelten dürften.
 

Es gibt spezielle Blindenaltenheime. Sie können sowohl in baulicher und organisatorischer Hinsicht wie auch in ihren Programmangeboten weitgehend auf die besonderen Bedürfnisse ihrer Bewohner Rücksicht nehmen. Dies ist in allgemeinen Altenheimen so nicht möglich. Dennoch können auch diese vieles tun, um für Menschen, die körperlich und geistig noch rüstig sind, "sehgeschädigtenfreundlich" zu werden. Das versuche ich hier darzustellen, wohl wissend, dass auf diesem Gebiet noch viele praktische Erfahrungen gesammelt und publiziert werden müssen. Die meisten Heimleitungen werden es gegenwärtig für ausgeschlossen halten, jemals auf die persönlichen Bedürfnisse einzelner Bewohner derart einzugehen, wie sie es im Falle von Sehgeschädigten idealerweise sollten. Schöpften sie alle Möglichkeiten aus, die Hilfe von Lehrerinnen ( s. o. zu 1.6.3 und 1.6.4 ) in Anspruch zu nehmen, so könnten sie es dennoch mindestens zu einem wesentlichen Teil. Auch dazu möchte ich nachstehend anregen.

  

2.2 Hilfe zur Orientierung

2.2.1 Orientierungshilfe für Bewohner, die im Heim erblinden
  

Wer während des Heimaufenthalts allmählich erblindet, aber im Übrigen noch rüstig ist, dürfte sich im eigenen Apartment und zunächst auch im übrigen Haus weiterhin zurechtfinden. Es wäre aber eine große Hilfe die unterste und die oberste Stufe jeder Treppe sowie einzelne Stufen durch kontrastierende Streifen an den Kanten zu kennzeichnen sowie das Treppenhaus und die Flure sehbehindertengerecht auszuleuchten. Beides würde auch denjenigen Heimbewohnern zugute kommen, die scheinbar noch genügend sehen.
  

Die Zimmernummer des Erblindenden und seine Türklinke könnten gleichfalls kontrastierend markiert und sein Apartment könnte sehbehindertengerecht ausgeleuchtet und gestaltet werden. Im Einzelnen verweise ich auf die Nummern 2 und 4 des Anhanges. Je früher ein Bewohner ein Training in Orientierung und Mobilität erhält, desto eher wird sich übrigens die Verantwortung der Heimleitung dafür reduzieren, dass er sich nicht verletzt. Wäre bei dem Training eine Mitarbeiterin zugegen, so könnte diese ihm wieder in Erinnerung rufen, was er im Laufe der Zeit vielleicht vergisst, und könnte ihre bei dem Training gewonnenen Erfahrungen im Bedarfsfalle sogleich auch an andere allmählich erblindende Heimbewohner weitergeben, noch ehe ein Training für sie beantragt worden ist.
   

Aber Vorsicht! Keine Sehbehinderung gleicht völlig der anderen ( s. o. zu 1.3 ). Zeigen Sie, wenn nötig, Ihrem Bewohner schon selbst, wie er sich vor offen stehenden Fenstern und Schranktüren schützt, indem er nämlich einen Arm nach vorne hebt und in Brust- oder Kopfhöhe anwinkelt, je nachdem, wo die größere Gefahr besteht.
 

Wer während seines Heimaufenthalts blind wird, kann zunächst von den Ausführungen "Nicht verzagen" Kap.7 ) profitieren. Bitte leiten Sie ihn entsprechend an.
 

Schwieriger als im Apartment wird es in traditionellen Altenheimen für ihn auf den Fluren und im Treppenhaus sein. Aber auch dafür lassen sich Lösungen finden.
  

Um etwa aus dem Speisesaal ins eigene Stockwerk zu gelangen, kann Ihr Bewohner zunächst mit Anderen zum Lift oder zum Treppenhaus gehen, bis er sich dies schließlich wieder allein zutraut. Den Lift kann er benutzen, wie in "Nicht verzagen" Kap. 7.3 beschrieben. Aber gesünder ist das Treppensteigen. Dabei kann Ihr Bewohner gut bis zum eigenen Stockwerk die Treppenabsätze zählen und auf dem Etagenflur die Türen bis zum eigenen Zimmer. Am besten gleitet er mit der Oberfläche der Fingernägel an der Wand entlang, an der sich die Türen befinden. Lässt er die Hand dabei locker herunterhängen, so ist er, wenn er an einen Türrahmen stößt, am flexibelsten. Gehen die Türen nach außen auf, sollte er in der anderen Hand einen Langstock vor sich herschieben. Ist der Gang nicht mit Teppich ausgelegt und gehen die Zimmertüren nach innen auf, so kann er vielleicht auch noch hören, wie sich der Trittschall unterschiedlich an der Wand und in den Türnischen bricht.
 

Die Klinke der Zimmertür können Sie für Ihren blinden Bewohner durch einen Gummiring oder Punkte markieren. Wer sein Zimmer beim Verlassen abschließt und den Schlüssel mitnimmt, steigert seine Gewissheit, sein Zimmer wiedergefunden zu haben, noch weiter; denn sein Schlüssel passt nur ins eigene Schloss.
 

Wie jemand vom Speisesaal ins Zimmer, so kann er umgekehrt, wenn er sich das einprägt, vom Zimmer in den Speisesaal gelangen und im Laufe der Zeit auf die gleiche Weise auch den Weg zu anderen Gemeinschafts-, Behandlungs- und Büroräumen finden. Wichtig ist alles das, weil es dem blinden Heimbewohner ein Gefühl der Unabhängigkeit gibt, gehen zu können, wann und wohin er will, und weil er diese Gewissheit jetzt besonders nötig braucht.
 

Zeigen Sie Ihrem blinden Heimbewohner, wie die Lichtschalter stehen müssen, wenn das Licht aus ist, damit er, wenn jemand bei ihm war prüfen kann ob dieser es gelöscht hat. Lassen Sie bei Gelegenheit die Schalter einheitlich so wenden, dass man oben drückt, um das Licht zu löschen.
 

Die Techniken, sich vor offenen Fenstern u. dgl. zu schützen, braucht der blinde Heimbewohner noch nötiger als der sehbehinderte. Bitte erklären Sie ihm das möglichst schnell.
 

Um noch unabhängiger und damit freier zu werden, braucht der blinde Bewohner jedenfalls in einem traditionellen Altenheim letztlich auch Mobilitätstraining, wie unter 1.6 beschrieben, in seinem Falle zunächst sog. Indoor-Training. Auch dabei sollte möglichst wieder eine Ihrer Mitarbeiterinnen zugegen sein. Im Haus kann er den Langstock gut nutzen, um außer nach außen offen stehende Türen auch den Beginn einer Treppe zu erkennen sowie Putzeimern, Staubsaugern, Wäsche-, Putz- und Essenswagen oder Rollstühlen auszuweichen.

  

2.2.2 Orientierungshilfe für Blinde, die sich zu Hause allein versorgt haben
  

Nehmen Sie solche Blinden auf, so wird es genügen, ihnen sorgfältig und geduldig mit etwas Einfühlungsvermögen in ihre besonderen Bedürfnisse nach und nach die nötigen Wege und etwaigen Hindernisse zu zeigen und zu erklären.

 

2.2.3 Orientierungshilfe für Blinde, die sich nicht allein versorgt haben
  

Wer neu erblindet ist oder einen ihn pflegenden Angehörigen verloren hat, wird im Falle seines Umzugs vor seinem geistigen Auge möglicherweise noch immer seine frühere Wohnung sehen. Ihm werden Sie dann sein Apartment mit viel Geduld erklären müssen. Ich schildere Ihnen, wie ich das tun würde. Dabei gehe ich der Einfachheit halber von dem schlimmsten Falle aus, dass Ihr Bewohner überhaupt noch nichts von seiner neuen Umgebung weiß.
  

"Wir stehen jetzt mit dem Rücken zur Türwand Ihres neuen Zimmers. Ich möchte Ihnen zunächst von hier aus erklären, wie es aussieht, damit Sie es sich vorstellen können. An der linken Seitenwand (Sie zeigen mit seiner rechten Hand dorthin) steht zuerst der Kleiderschrank und dann das Bett, mit dem Fußende zum Schrank und dem Kopfende zur Fensterwand. Neben seinem Kopfende steht der Nachttisch. Können Sie sich schon vorstellen, an welcher Seite des Bettes die Wand ist, wenn Sie im Bett liegen?
  

Wenn wir jetzt an der rechten Seitenwand entlanggehen (Sie zeigen mit seiner linken Hand dorthin), so kommen wir zuerst an einen Stuhl, dann an einen Tisch und schließlich an einen Sessel. Die Sitzmöbel stehen immer mit der Rückenlehne zur Wand. So können Sie sich am einfachsten setzen.
  

Können Sie mir sagen, wohin Sie blicken, wenn Sie das tun?
  

Wenn wir jetzt im Kreis um das Zimmer herumgehen und links anfangen: Erinnern Sie sich noch, was der Reihe nach kommt? Machen wir das einmal?" (Sie zeigen ihm dabei jedes Möbelstück, das Fenster, einen etwa vorhandenen Balkon, und, zur Türwand zurückgekehrt, auch die Tür mit Klinke, Lichtschalter, vielleicht auch Steckdose und Schellenknopf. Dann stellen Sie sich wieder mit dem Rücken zur Türwand.)
  

Gehen wir auch noch einmal rechts herum?

Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich jetzt auf den Stuhl setzen. Was steht dann rechts von Ihnen? Was steht noch weiter rechts? Wo ist das Fenster? Und was ist Ihnen gegenüber? Wo ist die Tür?
 

Wollen Sie sich einmal mit dem Rücken zum Fenster stellen und mir schildern, wie von dort Ihr Zimmer aussieht? Ich empfehle Ihnen übrigens, das Fenster, wenn Sie frische Luft haben wollen, noch nicht ganz zu öffnen, sondern nur schräg zu stellen. Später werde ich Ihnen auch zeigen, wie Sie sich davor schützen, mit dem Kopf an offen stehende Fenster oder Türen zu stoßen. Trauen Sie sich jetzt schon zu, mitten durchs Zimmer auf die Türwand zuzugehen oder lieber an Nachttisch, Bett und Kleiderschrank entlang? Gehen wir doch noch einmal zu Ihrem Stuhl und üben von dort den Weg zum Bad! Den Weg zur Zimmertür wissen Sie schon, auch schon, wo die Klinke ist? Gehen wir hindurch und weiter geradeaus, dann kommen wir zur Flurtür. Durch diese gehen wir später zum Essen. Damit Sie sie nicht versehentlich, etwa des Nachts, einmal mit Ihrer Zimmertür verwechseln, wenn Sie aus dem Bad kommen, habe ich einen Gummiring um die Klinke gelegt. Fühlen Sie einmal! Hier links ist die Tür zum Bad, hier gegenüber die Garderobe. Ich zeige Ihnen jetzt erst einmal Toilette, Spülung und Papierhalter, das Waschbecken, die Seife und das Handtuch. Der Raum ist so klein, dass Sie sich das alles nicht mühsam einzuprägen brauchen: Wenn Sie sich nur einmal mit ausgestreckten Armen um sich selbst gedreht haben, wissen Sie schon, wo alles steht und hängt. Fühlen Sie nur noch einmal Papierhalter und Spülung und hier den Schalter für die Lüftung.
   

Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt wieder zurück zu Ihrem Stuhl oder Sessel gehen, von dort erneut ins Bad, zurück zu Ihrem Bett und auch von dort ins Bad. Jetzt kann ich Sie bis zum Essen allein lassen. Sie können sich selbst das Zimmer erobern. Niemand wird Sie dabei beobachten. Vielleicht untersuchen Sie auch schon Ihren Kleiderschrank und Ihren Nachttisch und finden dabei die Sachen, die Sie mitgebracht haben. Sie können auch den Heizkörper, das Fenster, den Balkon (wenn vorhanden), Gardinen und Vorhänge untersuchen. Prüfen Sie, wenn Sie Lust haben, wie sich der Stoff der Gardinen von dem der Vorhänge und dem Ihres Sessels unterscheidet. Wollen Sie lieber vor statt neben Ihrem Tisch sitzen, so drehen Sie Stuhl oder Sessel herum. Schieben Sie den Stuhl nachher wieder unter den Tisch.
  

Brauchen Sie zwischendurch Hilfe, dann rufen Sie uns" (Signalgeber am Handgelenk erklären oder noch einmal die Schelle zeigen).
  

Steht gewöhnlich in einer Ecke eine Lampe oder eine große Pflanze, so räumen Sie sie am besten in den ersten Tagen weg.

 

2.2.4 Anregungen in Bezug auf alle sehgeschädigten Heimbewohner
  

Weisen Sie diese bitte hin

- auf ihre Nachteilsausgleichsansprüche ( s. o. zu 1.4.1 )
  

- auf die Möglichkeit, sich einen Daisy-Player zu kaufen sowie Zeitschriften und Bücher auf Daisy-CD zu abbonieren bzw. zu entleihen ( s. o. zu 1.4.3.2 ) und
 

- auf die Möglichkeit, meinen Ratgeber für erfolgreiches Altern und gegebenenfalls "Nicht Verzagen - sondern wagen" auf Daisy-CD zu erweben ( s. o. Vorbemerkung ).
  

Nötigen Sie Blinde nie in einen Rollstuhl, sondern führen Sie sie, auch wenn sie hilflos wirken, bitte grundsätzlich, wie in "Nicht Verzagen" Kap. 9.2 beschrieben. Für den Fall, dass ein Bewohner auch gehbehindert ist, verweise ich auf die im Literaturverzeichnis angeführte Schrift von Lewerenz-Wilcke. Auch dem gehbehinderten Heimbewohner tut Bewegung gut, wenn er keine Schmerzen dabei erdulden muss, und auch er wird sich im Allgemeinen freuen, wieder eine Aufgabe - einen Weg zurückzulegen - gemeistert zu haben.
 

Drücken Sie Ihre Bewohner nie auf einen Stuhl oder in einen Sessel, sondern legen Sie ihre Hand auf Seiten- oder Rückenlehne oder lassen Sie sie so nahe an die Vorderkante treten, dass sie diese spüren.
 

Müssen Sie blinde Bewohner unterwegs einen Augenblick allein lassen, so zeigen Sie ihnen auch innerhalb eines Raumes irgendeinen Halt wie etwa eine Wand, eine Fensterbank oder einen Tisch.
 

Hat jeder sein eigenes Postfach, so können diejenigen der Sehgeschädigten mit kontrastierendem Band oder tastbaren Punkten markiert werden.
  

Ändern Sie auf Wegen, die Sehgeschädigte zu gehen pflegen, die Stellung von Möbeln oder die Lage von Teppichen, so sagen Sie es ihnen bitte.
 

Raten Sie sehgeschädigten Heimbewohnern, wenn ihnen jemand, um sie vor einem Sturz oder Zusammenstoß zu bewahren, "links" oder "rechts" entgegen ruft, stets zunächst stehen zu bleiben, um sich zu vergewissern, ob er in seiner eigenen Richtung wirklich links oder rechts gehen sollte.
  

2.3 Einnahme der Mahlzeiten
  

Da Essen in besonderem Maße die Gemeinschaft fördert und gerade ältere Menschen den Austausch mit anderen nötig haben, sollten auch Sehgeschädigte die Hauptmahlzeit nicht im Zimmer, sondern im Speisesaal oder in der Wohngruppe einnehmen. Dazu brauchen Blinde einen Platz, den sie von der Tür allein erreichen können und Sehbehinderte einen solchen, an dem sie besonders gut sehen. Haben Sie einen zentralen Speisesaal, so beachten Sie bei der Sitzordnung bitte, dass Sehgeschädigte zusätzliche Schwierigkeiten haben, mit dementen Menschen zu kommunizieren. Alle Ihre sehgeschädigten Bewohner an einem gemeinsamen Tisch zu konzentrieren, könnte zwar zur Ghettoisierung beitragen, würde aber ihre Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zur gegenseitigen Ermutigung erhöhen und Ihrem Personal die Bedienung erleichtern.
  

Auch Sehgeschädigte sollten so manierlich essen, dass Sehende keinen Anstoß daran nehmen können. Deshalb müssen sie sich mehr konzentrieren. Andererseits haben aber auch sie ein Recht darauf, ihr Essen zu genießen.

Für Bewohner, die noch etwas sehen, tun Sie darum bitte alles, was Ihnen möglich ist, um auch bei Tisch Kontraste herzustellen ( siehe im Anhang Nr. 4 ).

 

Blinde Heimbewohner verweisen Sie auf meine Vorschläge in "Nicht verzagen" Kap.12.
  

Sie können darüber hinaus einem Sehgeschädigten das Essen erleichtern, indem Sie ihm, wenn er das nicht ausdrücklich ablehnt, Brot und Brötchen streichen und belegen, Getränke einschenken, den Teller füllen und dabei das Fleisch schneiden, den Fisch zerlegen, die Kartoffeln zerdrücken und auch große Salatblätter schneiden. Selbst wer dies alles noch allein zu tun vermag, kann sich durch andere beobachtet fühlen und dadurch unsicher werden. Machen Sie Sehgeschädigten Mut, bei Personalwechsel ihre speziellen Bedürfnisse deutlich zu artikulieren.
 

Servieren Sie Frühstück und Abendbrot auf dem Zimmer und möchten sehgeschädigte Heimbewohner sich dort selbst versorgen, so lassen Sie ihnen die nötigen Fertigkeiten zum Brote-streichen usw. von einer Lehrerin für lebenspraktische Fähigkeiten ( s. o. zu 1.6.4 ) vermitteln.
 

Isst jemand unbeobachtet, so traut er sich gewöhnlich mehr zu als sonst, sollte sich dann aber, wo nötig, systematisch darauf vorbereiten lassen.

  

  

 
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