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Professionell helfen - 1.4 - 1.4.3.11

1.4 Was allgemein zu beachten ist

1.4.1 Nachteilsausgleiche
 

Sehbehinderte und erst recht Blinde erhalten als Nachteilsausgleich soziale und steuerliche Vergünstigungen. Aber oft kennen sie sie nicht und ahnen nicht einmal, dass es sie gibt. Auch Augenärzte kennen sie nicht oder betrachten es nicht als ihre Aufgabe, ihre Patienten darauf hinzuweisen, oder scheuen sich, ihnen zu sagen, sie seien jetzt wesentlich sehbehindert, hochgradig sehbehindert oder gar blind im Sinne des Gesetzes.
  

Welche Nachteilsausgleichsansprüche jemand nach dem Grad seines Sehverlustes hat, sehen Sie auf der Seite www.dbsv.org unter dem Menüpunkt "Recht". Vielleicht braucht er aber Hilfe, diese Informationen zu erlangen, und sind Sie möglicherweise die erste und jedenfalls die kompetenteste, ihn darauf aufmerksam zu machen, ihn bei der Antragstellung zu unterstützen und seine Hemmungen abzubauen, Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Bitte tun Sie es!
  

Die beiden wichtigsten Anträge sind die zur Erlangung des Schwerbehindertenausweises und, wenn jemand "blind" ist, zur Erlangung eines finanziellen Ausgleichs (einer Landesblindenhilfe) für die Mehraufwendungen, die ihm infolge seiner Blindheit entstehen. Einen solchen Ausgleich erhält er heute überall in Deutschland ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen, wenn auch nach sehr unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen und unter verschiedenen Bezeichnungen. In Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erhalten auch hochgradig Sehbehinderte einen solchen Ausgleich. Wer die Einkommens- und Vermögensgrenzen des SBG XII nicht überschreitet, erhält außerdem eine ergänzende Blindenhilfe nach § 72 dieses Gesetzes. "Blind" im Sinne all dieser Regelungen kann, wie unter 1.3 erwähnt, auch sein, wer noch zu lesen vermag, wenn sein Gesichtsfeld sehr stark eingeschränkt ist (vgl. SGB XII § 72 Abs. 5 ).
   

Zu diesen beiden Anträgen und den sich aus dem Besitz des Schwerbehindertenausweises ergebenden Folgeanträgen wird im Falle von Altersblindheit vielfach noch ein Antrag auf Pflegeleistungen kommen. Sie können Altersblinden helfen, ihren etwaigen Pflegebedarf richtig einzuschätzen. "Richtig" heißt dabei, ihren Anspruch auf Pflegeleistungen zwar auszuschöpfen, sich aber nicht in die Vorstellung hineinzusteigern, nunmehr hilflos zu sein, vielmehr alles zu tun, um im Laufe der Zeit von Pflege so unabhängig zu werden, wie dies eben möglich ist.
  

An sich braucht jemand, der einen Sehverlust erlitten hat, keinen vom Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer, zumal, wenn er jemanden kennt, dem er eine Vollmacht erteilen kann. Blindheit ist aber eine Behinderung, die die Bestellung eines Betreuers rechtfertigen kann. Andererseits muss jemand, der dazu in der Lage ist, seinen Betreuer selbst bezahlen. Weitere Einzelheiten dazu findet Ihr Klient in "Nicht verzagen, sondern wagen", Kap. 2.6.

  

1.4.2 Kontaktschwierigkeiten
  

Wer nur allmählich erblindet, muss wissen, dass andere dies zunächst oft nicht bemerken und sich deshalb über ihn wundern, ihn sogar für geistesabwesend oder arrogant halten, wenn er sie nicht erkennt, sie nicht grüßt oder ihren Gruß nicht erwidert. Er sollte darum seine Freunde und Nachbarn beizeiten über seine Schwierigkeiten aufklären und auch darüber, dass sie in manchen Situationen geringer, in manchen größer sind. Weisen Sie ihn bitte auf all dies hin. Wer keinen Blickkontakt mehr aufbauen kann, muss außerdem wissen, dass, wenn er in Begleitung, etwa in ein Geschäft oder in eine Arztpraxis kommt, das dortige Personal zunächst seine Begleitung ansprechen wird. Ermutigen Sie ihn notfalls, das Gespräch an sich zu ziehen, wenn nicht schon seine Begleitung auf ihn verweist und in die Richtung seines jeweiligen Gesprächspartners zu "blicken".
  

Kann Ihr Klient Ihren freundlichen oder aufmunternden Blick nicht mehr erkennen, so können Sie ihm solche Botschaften wenigstens durch die Wärme Ihrer Stimme und, wo das angebracht ist, auch durch einen Körperkontakt vermitteln.
 

Erkennt Ihr Klient Sie noch nicht an der Stimme, so nennen Sie Ihren Namen. Verlassen Sie vorübergehend den Raum, ohne, dass er es hört, so sagen Sie es ihm und später auch, dass Sie zurück sind. Befinden sich noch andere Personen im Raum, wird Ihr Klient nicht immer wissen, ob Sie ihn oder jemand anderen ansprechen. Nennen Sie in solchen Fällen den Namen dessen, den Sie ansprechen.

 

1.4.3 Sonstiges

1.4.3.1 Schlafstörungen
 

Blinde leiden häufig an Schlafstörungen, weil sie durch das Tageslicht weniger stimuliert werden. Regen Sie Ihren Klienten an, sich tagsüber durch kontinuierliche Beschäftigung möglichst wach zu halten.
 

Ergänzend verweise ich Sie und ihn auf meinen Ratgeber für erfolgreiches Altern, Teil 9.6.4.

  

1.4.3.2 Bücher und Zeitschriften mit dem Daisy-Player hören
  

Außer durch Fernsehen und Hörfunk informieren Sehgeschädigte sich insbesondere durch Bücher und Zeitschriften auf Daisy-CDs. Was man darunter versteht, lesen Sie hier. Für diesen Personenkreis gibt es "Blindenhörbüchereien", die jedoch auch an Sehbehinderte ausleihen, und Zeitschriften. Die Anschriften und den Zentralkatalog aller Bücher mit guten Suchmöglichkeiten finden Sie auf www.medibus.info. Ihr Klient kann aber auch die Bücherei in seiner Region anrufen, um sich Bücher vorschlagen zu lassen oder ihr schreiben, wo seine Interessen liegen, um dann nach Wahl der Bücherei laufend beliefert zu werden.
 

Eine Liste der Zeitschriften finden Sie hier.
 

Es kann sich empfehlen, beim Hören im Zimmer auf und ab zu gehen, weil man so am ehesten merkt, ob die Gedanken abschweifen.
 

Gehört werden Zeitschriften und Bücher mit einem Daisy-Player (DAISY = Digital Accessible Information System). Im Daisy-Format produzierte Bücher lassen sich zwar auch auf MP3-Playern hören, ihnen gegenüber haben DAISY-Player aber den Vorteil, dass Ihr Klient mit ihnen bei Büchern auf Ebene 1 von Kapitel zu Kapitel, auf Ebene 2 von Abschnitt zu Abschnitt, auf Ebene 3 von Unterabschnitt zu Unterabschnitt, usw., auf der drittletzten von Seite zu Seite, auf der vorletzten von Minute zu Minute ("Zeitsprung") und auf der letzten sogar von Satz zu Satz (je nach Gerätetyp "Phrase" oder "Zeit") vor- oder zurückspringen kann. Für Zeitschriften gilt das entsprechend.
 

Die Bezugsquellen, Namen und Preise der Geräte, die von einem kanadischen und einem japanischen Hersteller produziert werden, finden gleichfalls Sie unter www.dzb.de unter dem Menüpunkt "Daisy" und von dort unter " Abspielgeräte ". Lebt Ihr Klient allein, so helfen Sie ihm, wenn nötig, einen Daisy-Player zu bestellen und in Betrieb zu nehmen.
  

Ihr Klient lässt sich den Daisy-Player von seinem Arzt verordnen und beantragt die Übernahme der Kosten durch seine Krankenkasse. Gegen einen ablehnenden Bescheid legt er Widerspruch ein und bittet den auf die Beratung Blinder und Sehbehinderter spezialisierten Geschäftsführer der "Rechte behinderter Menschen" gGmbH, Herrn Rechtsanwalt Dr. Richter (Tel.: 06421 / 94888-32 und -35, E-Mail: recht@dvbs-online.de ), ihn zu begründen. Ist Ihr Klient Mitglied eines Landesblinden- und Sehbehindertenvereins oder des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten, so wird Rechtsanwalt Richter unentgeltlich für ihn tätig.

  

1.4.3.3 Tageszeitungen hören
  

Die großen Tageszeitungen kann Ihr Klient, wenn es in seinem Haushalt einen Internetanschluss gibt und er einen Screen Reader hat, im Internet herunterladen, die jeweils aktuelle Ausgabe sogar kostenlos, um sie dann mit seinem Screenreader abzuhören, ein Programm, das Daten in Sprache umwandelt. Vielleicht lässt er sich am Anfang von jemandem helfen, sich schnell zu orientieren. Was ein Screen Reader ist, findet er in "Nicht verzagen, sondern wagen" Kap. 4.9.2.

   

1.4.3.4 Aufsprachedienste
  

Beim Textservice des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten, Frauenbergstr. 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 / 94888-22, E-Mail: info@dvbs-online.de ) und beim BIT-Zentrum des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes, Arnulfstraße 22, 80335 München, (Tel.: 089 / 55988-144, E-Mail: bit@bbsb.org ) kann Ihr Klient sich gegen Bezahlung eigene Bücher aufsprechen lassen.

  

1.4.3.5 Zeitschriften, Bücher und anderes mit dem Lese-Sprechgerät hören
   

Kann Ihr Klient sich mit synthetischer Sprache anfreunden und einen gewissen Informationsbedarf darlegen, so lässt er sich von seinem Augenarzt ein Lese-Sprechgerät verordnen und von seiner Krankenkasse die Kostenübernahme bestätigen. Auch hier hilft RA Dr. Richter ihm, einen Widerspruch zu begründen, wenn er ihn für aussichtsreich hält. Es gibt offene und geschlossene Systeme, je nachdem, ob Ihr Klient über einen Computer arbeiten will oder ein kompaktes Gerät bevorzugt. Detaillierte Informationen über Lese-Sprechgeräte finden Sie unter www.incobs.de.
  

Was vorgelesen werden soll, Briefe, Beipackzettel von Medikamenten, Gebrauchsanleitungen, Rechnungen, Zeitschriften oder Bücher, legt Ihr Klient mit der Schrift nach unten auf eine Glasplatte. Von dort wird die Schrift in Daten und danach in synthetische Sprache umgesetzt. Hat Ihr Klient die erste Seite eines Buches oder einer Zeitschrift eingescannt, was das Gerät mit einem Signal bestätigt, so beginnt es ihm vorzulesen, während er die weiteren Seiten einscannt. Die Wiedergabe mit einer synthetischen Stimme ist zwar gewöhnungsbedürftig, dafür kann Ihr Klient aber - von Handschrift abgesehen - so gut wie alles "lesen", was dem Sehenden zur Verfügung steht.
  

Die Bedienung dieser Geräte wird immer einfacher, die Erkennung der Schrift immer besser und damit die Fehlerquote bei der Wiedergabe noch geringer. Gute Geräte sollen sogar in der Lage sein, gut ausgedruckte Kontoauszüge zu entziffern. Dazu gibt es "Masken", die, unter den Auszug gelegt, nur diejenigen Stellen einscannen lassen, die für Ihren Klienten von Interesse sind. Ehe er sich für ein bestimmtes Gerät entscheidet, sollte er bei der Vorführung Proben von möglichst vielen Schriftarten zur Hand haben, um nachher nicht enttäuscht zu sein.

  

1.4.3.6 Geburtstagsanrufe machen
 

Hat Ihr Klient noch einen Kassettenrecorder, so kann er sich von jemandem einen chronologisch geordneten Geburtstagskalender all seiner Freunde und Verwandten mit deren Telefonnummern aufsprechen lassen. Diese Kassette legt er von Zeit zu Zeit in den Recorder, um zu hören, wer wann als Nächster Geburtstag hat. Kann er schon mit einem Computer umgehen, so kann er diesen Kalender auch auf der Festplatte installieren. Dort lässt der Kalender sich sogar ohne Komplikationen ergänzen.

 

1.4.3.7 Blindenschrift
    

Wäre Ihr Klient bereit, die Blindenschrift zu lernen, so verweisen Sie ihn bitte auf "Nicht verzagen, sondern wagen", Kap. 4.1. Lebt er allein, so helfen Sie ihm, wenn nötig, sich die dort erwähnte Blindenschriftmaschine zu kaufen und in Betrieb zu nehmen.

  

1.4.3.8 Normale Schrift schreiben
 

Zum Schreiben mit der Hand kaufe Ihr Klient beim LHZ eine "Schreibschablone", das heißt eine Schwarzschrifttafel. Sie besteht aus einer Grund- und einer Deckplatte, die an den linken Kanten miteinander verbunden sind. Aus der Deckplatte sind Zeilen herausgestanzt, in die Ihr Klient schreibt. Muss er das Schreiben unterbrechen, dann lässt er den Kugelschreiber in der Zeile liegen, in der er nachher weiterschreiben will.
  

Kleine Notizen macht er auf Kärtchen, deren Ränder ihm als Leitlinien dienen. Solche Kärtchen verwendet er insbesondere um zu notieren, was eingekauft werden muss und was seine sehende Hilfe bei nächster Gelegenheit sonst noch besonderes tun sollte. Er benutze aber nur einen Stift, der zuverlässig schreibt und dessen Schrift er nicht verwischt, wenn er mit dem linken Zeigefinger nachfährt. Empfohlen werden dafür Kopierstifte, die man allerdings von Zeit zu Zeit anspitzen muss.
   

Beim LHZ gibt es auch Papier mit erhabenen (erhöhten) Linien zu kaufen, zwischen die er schreiben kann.
   

Sein Testament kann er jetzt übrigens nicht mehr handschriftlich errichten, weil das nur jemand kann, der zu lesen vermag, was er geschrieben hat. Dazu muss er sich vielmehr an einen Notar wenden.

   

1.4.3.9 Offene Altenhilfe
  

Ihr Klient sollte auch Angebote der offenen Altenhilfe nutzen. Hat er dazu keine Begleitung, so bitten Sie den Veranstalter, ihm mit einem anderen Teilnehmer in Verbindung zu bringen, der in seiner Nähe wohnt und ihn mitnimmt. Verweisen Sie den Veranstalter außerdem bitte auf meine Ratschläge zum Umgang mit Blinden und Sehbehinderten bei Veranstaltungen in der offenen Altenhilfe.

  

1.4.3.10 Nicht ängstlich das Wort "sehen" vermeiden
  

Oft gibt es gar keine natürlich klingenden Alternativen. Auch Blinde freuen sich aufs "Wiedersehen", sagen, sie hätten jemanden "gesehen", "sehen den Tatsachen ins Auge" und "einer baldigen Antwort entgegen" - und im geistigen Sinne "sehen" sie ja auch! Pflegen sie Seherinnerungen ( s. o. zu 1.3 ), so interessieren sie sich oft auch noch dafür, wie etwas "aussieht" und wie andere Menschen "aussehen" oder wie sie angezogen sind. Sie können vielfach auch noch beurteilen, welche Kleidungsstücke farblich zueinander passen. Eine blinde Dame wird für ein Kompliment über ihr Aussehen und ihre Garderobe, wenn es ehrlich gemeint ist und sie das nachvollziehen kann, nach wie vor dankbar sein. Es kann für sie bedeuten, dass ihre Seherinnerung noch lebendig ist und / oder sie eine Beraterin mit gutem Geschmack hat.

  

1.4.3.11 Über Mitleid
   

Viele Sehgeschädigte bemitleiden sich nicht, sondern haben ihre ursprüngliche Einstellung zum Leben behalten oder wiedergewonnen. Andere sollten sie deshalb gleichfalls nicht bemitleiden! Beklagt jemand dennoch sein Schicksal, so hilft man ihm am besten, indem man ihm - notfalls immer wieder einmal, wenn Trauer oder Verzweiflung hochkommen - geduldig zuhört und sodann erklärt - vielleicht sogar zeigt -, was ihm trotz seines Sehverlustes noch alles geblieben und möglich ist. Außerdem sollte man ihm die Hoffnung vermitteln, sich mehr und mehr an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen und die Techniken zu erlernen, die nötig sind, um die Behinderung bewältigen zu können.

  

 

 
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