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Professionell helfen - 1.3

1.3 Die verschiedenen Grade von Sehverlust und ihre Auswirkungen
  

Blind ist nicht gleich blind und sehbehindert nicht gleich sehbehindert.
  

Nach dem Gesetz gelten Personen

- als "blind", deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen (siehe SGB XII § 72, Abs. 5 );
  

- als "hochgradig sehbehindert", deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als ein Zwanzigstel beträgt, und
 

- als "wesentlich sehbehindert", deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als drei Zehntel beträgt.
 

Der Augenarzt stellt den jeweiligen Grad des Sehverlustes aufgrund der Versorgungsmedizin-Verordnung fest, die auch etwaige Einschränkungen des Gesichtsfeldes berücksichtigen.
  

Danach kann jemand auch schon als "blind" gelten, wer einerseits noch lesen oder andererseits noch allein als Fußgänger am Straßenverkehr teilnehmen kann.
 

Im Schwerbehindertenausweis wird bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung ein GdB von 100, bei wesentlicher Sehbehinderung ein solcher von 70 eingetragen. Eine Sehbehinderung wird auch dann noch berücksichtigt, wenn der Antragsteller mehr als 30% sieht, aber unter anderen Behinderungen leidet.
  

Weitere Einzelheiten über Sehbehinderung findet Ihr Klient in der vom DBSV herausgegeben Schrift " Ich sehe so, wie du nicht siehst ".
  

Für die objektiven Auswirkungen eines Sehverlustes kommt es zunächst darauf an, ob er schon in jungen Jahren, im mittleren oder erst im höheren Alter eingetreten ist; denn je früher jemand ihn erleidet, desto leichter und vollständiger kann er sich im Allgemeinen auf das Leben mit der Behinderung einstellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass seit einigen Jahrzehnten mehr und mehr sehgeschädigte Kinder mit zusätzlichen Behinderungen heranwachsen, die später eine Werkstatt für Behinderte besuchen und auch sonst der regelmäßigen Betreuung bedürfen.
   

Im Übrigen hängen die Auswirkungen eines Sehverlustes nicht nur von seiner Art (s. u.) und seinem Schweregrad, sondern auch davon ab, wie jemand das, was er noch erkennt, aus seiner Seherinnerung ergänzt und dann interpretiert, weiter davon, ob jemand von Natur aus beweglich oder langsam, geschickt oder ungeschickt, selbstbewusst, mutig und zupackend oder aber ängstlich ist, kontaktfreudig oder scheu, optimistisch oder pessimistisch, heiter oder melancholisch, vertrauensvoll oder misstrauisch, ordnungsliebend oder eher gleichgültig - Eigenschaften, die einem die Last der Sehschädigung verhältnismäßig leicht oder sehr schwer machen können.
  

Von Bedeutung sind weiter die Kombinations-, Organisations- und Reaktionsfähigkeit, die Fähigkeit zu Problemlösungen, der bisherige Erfahrungsschatz, der Gesundheitszustand und die wirtschaftliche Lage des Betroffenen. Ferner ob er allein oder in Gemeinschaft lebt, wie seine Wohnung ausgestattet ist und wie verkehrsgünstig sie liegt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass unter dem Wegfall oder der Verminderung der ständigen Stimulation des Gehirns durch Seheindrücke mit der Zeit auch die intellektuelle Leistungsfähigkeit leidet, wenn jemand nicht systematisch sein Gedächtnis trainiert ( s. u. zu 1.5.5 ). Wegen dieser vielen Faktoren, deren Gewicht überdies im Rahmen jedes einzelnen Falles sehr verschieden sein kann, haben Außenstehende es schwer, mehr zu tun als dem Betroffenen und seinen etwaigen Hausgenossen Mut zu machen und auf die Möglichkeit eines Trainings in Orientierung und Mobilität sowie in lebenspraktischen Fähigkeiten hinzuweisen ( s. u. zu 1.6.3 und 1.6.4 ). Wer erst in höherem Alter erblindet, kann bis ans Lebensende einen großen Schatz an Seherinnerungen bewahren, wenn er ihn pflegt, indem er sich möglichst vieles beschreiben lässt und sich dann vorzustellen versucht.
  

Allerdings lässt auch das Gehör im Alter vielfach nach. Trainieren lässt es sich nicht, wohl aber kann Ihr Klient, wenn er nichts mehr sieht, lernen, es einzusetzen, wo er sich früher allein auf das Sehen verlassen hat. Geräusche von außen werden ihm vielfach sagen, wo sich ein Fenster befindet und ob es offen ist. Das kann ihm bei der Orientierung im Zimmer helfen. Er wird außerdem immer besser zu unterscheiden lernen, wodurch ein Geräusch verursacht wird und was es ihm sagen kann. Er wird sich mehr und mehr daran gewöhnen, Menschen an deren Stimme zu unterscheiden, kann er Verwandte und Freunde doch sogar am Telefon erkennen, wenn sie nicht ihre Namen nennen. Erkennt ihr Klient jemanden nicht sogleich an seiner Stimme, so scheue er sich nicht, ihn nach seinem Namen zu fragen.
  

Da Ihr Klient jetzt auf besonders gutes Hören angewiesen ist, braucht er möglicherweise Hörgeräte. Hat er einmal gelernt, sie einzusetzen, so ist der Umgang mit ihnen einfach und eine große Erleichterung. Dennoch können selbst Senioren bis zu einem gewissen Grad Gehör und Tastsinn üben und einsetzen, wo sie sich früher allein auf das Auge verlassen haben. Man liest zwar gelegentlich, 80 Prozent aller Informationen würden über das Auge aufgenommen. Das darf aber nicht dahin verstanden werden, dass, wer nicht mehr sieht, nur noch 20 Prozent aufnimmt und verarbeitet; denn Sehende nehmen vieles mit dem Auge auf, was sie, wie o. zu 1.1 gezeigt, auch mit Gehör oder Tastsinn wahrnehmen könnten.
   

Was jemand nach einem Sehverlust noch wahrnimmt, hängt von Art und Umfang seiner Behinderung ab. Es kann einfach der Visus (die Sehschärfe) herabgesetzt sein. Dann sieht jemand möglicherweise nur noch unscharf wie durch einen Schleier. Vielleicht ist aber auch das Gesichtsfeld eingeschränkt. Das kann von der Mitte ausgehen, wo man am schärfsten sieht. Übrig bleibt dann allein das weniger scharfe Sehen am Rand. In diesem Falle erkennt man vielleicht einen Menschen nur an seinem Umriss und beim Lesen nur Anfang und Ende einer Zeile.
   

Oder das Gesichtsfeld ist umgekehrt vom Rand her eingeschränkt. Dann sieht man am Ende wie durch einen Tunnel, eine Röhre oder gar nur wie durch ein Schlüsselloch. Man kann dann zwar vielleicht noch lesen, dafür aber vieles rechts und links, wie etwa ein herannahendes Fahrzeug, oben, wie etwa einen herabhängenden Ast, und unten, wie etwa eine Stufe, nur mit entsprechenden Kopfbewegungen erkennen. Wollen Sie aus pflegerischen Gründen oder zum Zwecke der Beratung wissen, was Ihr Klient in bestimmten Situationen noch sieht, so lassen Sie es sich darum genau von ihm erklären, um seine Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Ermuntern Sie ihn, es anderen in seinem sozialen Umfeld von sich aus zu sagen, um Missverständnissen und daraus sich ergebenden Über- oder Unterforderungen, die von Sehbehinderten oft beklagt werden, selbst vorzubeugen. Dafür muss sich Ihr Klient vielleicht selbst erst vergegenwärtigen, was er noch wahrnimmt und was nicht. Das zu tun, kann ihm auch helfen, zwar sein Sehvermögen voll zu nutzen, aber Gefahrensituationen zu vermeiden.
 

Wollen Sie nachempfinden, was Ihr Klient noch sieht, so finden Sie einen Sehbehinderungssimulator unter www.pro-retina.de/simulator.
  

Sie sollten noch wissen, dass seine Sehkraft je nach seiner gegenwärtigen körperlichen und / oder seelischen Verfassung und den Beleuchtungsverhältnissen stark schwanken kann. Wer behauptet, heute nicht mehr zu sehen, was er gestern noch sah (und morgen hoffentlich wieder sieht), wird im Allgemeinen die Wahrheit sagen.
  

Wer noch etwas sieht, sollte in einem Training für Orientierung und Mobilität sowie Lebenspraktische Fähigkeiten ( s. u. zu 1.6.3 und 1.6.4 ) zwar möglichst früh lernen, optimal damit umzugehen, aber auch seine Grenzen zu erkennen und einzuhalten, also Hör- und Tastsinn einzusetzen, wo diese ihm besser helfen als sein verbliebenes Sehvermögen.

Woran man erkennt, dass jemandes Sehkraft allmählich nachlässt, hängt sehr von der Umgebung ab, in der er lebt. Darauf gehe ich deshalb unter 2.8 und 3.6 jeweils gesondert ein.

  

  

  
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