Inhalt Rechts

Rechte optische Spalte

Sprachauswahl

Dritte Spalte

Inhalt Mitte

Breadcrump Menü

Sie sind hier:

Hauptinhalt

.

Professionell helfen - 1. - 1.2.8

1. Allgemeines über sehgeschädigte Menschen, insbesondere Senioren

1.1 Über schnellen und langsamen Sehverlust
  

Wie sich jemand fühlt, der plötzlich total erblindet, kann, wer das nicht selbst erlebt hat, nicht nachempfinden. Es hängt im Übrigen sehr von der Psyche des Betroffenen ab. Eine anschauliche Schilderung finden Sie in dem Buch des kenianischen Marathonläufers Henry Wanyoike " Mein langer Lauf ins Licht " (Herder, Freiburg; 2. Aufl. 2006).
 

Immerhin können Sie aber unter der Augenbinde erleben, was ein Blinder noch alles wahrzunehmen und zu tun vermag. So können Sie etwa:
 
- Ihr Mittagessen einnehmen, nachdem Sie den Teller vorbereitet haben: Verhindern Sie mit dem Messer, Speisen über den Rand zu schieben;
  

- mit harten Absätzen durch die Wohnung gehen: Der Trittschall bricht sich an den Wänden und zeigt Ihnen Ihre Entfernung davon an;
  

- sich vor dem Anstoßen an offene Fenster schützen, indem Sie einen Arm nach vorn heben und in Kopfhöhe anwinkeln sowie vor dem Anstoßen an Möbel, indem Sie einen Arm diagonal vor dem Körper halten;
  

- beim Eingießen von Getränken die drei mittleren Finger der anderen Hand schräg in das Gefäß halten, je nachdem wie weit Sie es füllen wollen;
  

- Erbsen, Bohnen, Linsen und Reis vermischen und in vier Gefäße auseinandersortieren;
  

- mehrere Sätze unserer Münzen vermischen, nachdem Sie vorher ihre Form genau betrachtet haben und in acht Gefäße auseinander sortieren: Ob der Rand einer Münze durchgehend oder unterbrochen geriffelt ist oder eine Rille hat, prüfen Sie mit dem Fingernagel;
  

- fühlen, ob das Ablaufbrett sauber oder schmutzig und ob ein unter fließendem Wasser gespülter Teller schon sauber ist;
 

- sich im Dunkeln ausziehen, Garderobe und Unterwäsche aufhängen und wieder ankleiden;
 

- sich die Zähne putzen, indem Sie vorher die Zahnpasta auf die Zungenspitze und von dort auf die Zahnbürste drücken und
 

- eine Telefonnummer eintippen.
  

Wer dagegen nur langsam erblindet und einigermaßen erfinderisch ist, wird sich daran gewöhnen, mit immer weniger Sehkraft auszukommen. Können solche Menschen weiterhin hören, tasten, schmecken und riechen und bleiben geistig fit, haben die jeweils benötigten Sehhilfen ( s. Anhang im Nr. 1 ) und / oder sonstigen Hilfsmittel ( s. u. zu 1.5.2 ) und haben soweit erforderlich, sehende Hilfe, so werden sie sich in vielen Fällen mit ihrem allmählichen Sehverlust abfinden, wenn sie schon älter sind und das Nachlassen ihrer Sehkraft als natürliche Begleiterscheinung des Alterns ansehen, wie andere ihre Schwerhörigkeit oder Gehbehinderung. Sie werden außerdem zuweilen Trost in der Versicherung ihres Arztes suchen und finden, nie "ganz blind" zu werden.
   

In dieses Bild passt es, dass Sehgeschädigte sich vielfach, auch wenn sie als "blind" im Sinne des Gesetzes gelten ( s. u. zu 1.3 ), als "nur sehbehindert" bezeichnen. Man sollte das mindestens bei der ersten Begegnung respektieren und beim ersten Telefonanruf sogar in der Regel davon ausgehen, der Angerufene sei "sehbehindert" oder "sehe schlecht ". "Ganz blind" zu sein, wird jemand alsbald selbst erklären, wenn er sich dafür hält. Die Selbsthilfeorganisationen und konfessionellen Dienste der Sehbehinderten und Blinden sollte man, auch wenn sie traditionell die "Blinden" vielfach noch an erster Stelle in ihrem Namen führen, schlicht als "Sehgeschädigtenorganisationen" vorstellen. Man sollte allerdings auch alsbald erklären, dass "blind" im Sinne des Gesetzes nicht immer "ganz blind" bedeutet ( s. u. zu 1.3 ) und dass man schon bei bloßer Sehbehinderung gewisse Nachteilsausgleiche beanspruchen kann ( s. u. zu 1.4.1 ).
  

Je nach der Ursache eines allmählichen Sehverlustes kann der Betroffene darauf hoffen, dass keine weitere Verschlechterung eintritt ( s. u. zu 1.2 ). Wann dies der Fall ist, kann aber nur der Arzt beurteilen. Andere können dem Betroffenen nur geduldig zuhören und ihm allenfalls raten, vorsorglich schon jetzt seinen Tastsinn zu üben und sich für die Techniken zu interessieren, die er braucht, um auch bei weiterem Sehverlust selbständig weiterleben zu können.
  

Wie jemand einen schnellen oder langsamen Sehverlust innerlich bewältigt, hängt von seiner Persönlichkeit und vielleicht auch davon ab, welche Pläne er schon für sein weiteres Leben, insbesondere für die Zeit seines Ruhestandes, hatte. Manche - wird im Schrifttum aufgezählt - verlieren ihr Selbstwertgefühl, leugnen ihre Behinderung, ziehen sich aus sozialen Kontakten zurück, werden depressiv, ängstlich oder kaum noch zu etwas motivierbar, fürchten, von anderen abhängig zu werden, ihnen zur Last zu fallen oder in ein Heim zu müssen, oder empfinden Hoffnungslosigkeit, Trauer, Kummer oder Wut. Wichtig ist vor allem, dass jemand integriertes Glied seiner Familie, der Nachbarschaft, seines Bekanntenkreises und der Vereine bleibt, denen er angehört, und nach Möglichkeit seine bisherigen Aufgaben in diesen Beziehungen weiterhin wahrnimmt; denn hat jemand solche Positionen erst einmal aufgegeben, so wird es ihm nur schwer möglich sein, sie zurückzugewinnen.
 

Lebt jemand nicht allein, so können seine Hausgenossen - im Heim seine Mitbewohner und das Personal - ihm gut helfen, wieder mit sich und der Welt zurechtzukommen. Fürchtet sich jemand, der erst sehbehindert ist, vor völliger Erblindung und ist diese Sorge medizinisch gerechtfertigt, so gilt es, ihm möglichst früh die Gewissheit zu vermitteln, dass dies nicht das Ende seiner Unabhängigkeit von fremder Hilfe bedeuten muss und seine etwa vorhandene Vorstellung vom "hilflosen Blinden" unrichtig ist. Auch dazu kann die frühzeitige Einschaltung von Sehgeschädigtenorganisationen beitragen.
 

Mancher mag fragen, warum gerade er erblinden müsse:
 
Das Alter bringt viele Behinderungen mit sich und die Erblindung ist keineswegs die schwerste. Wer sich nicht auch in einer depressiven Phase befindet, wird das rational leicht einsehen, wenn man es ihm liebevoll erklärt und er Kontakt zu anderen Blinden aufnimmt.
  

Vielleicht fragt jemand weiter, was denn noch der Sinn seines Lebens sei. Lebt er in einer Familie oder einer Hausgemeinschaft, hat Aufgaben in ihr und lässt sich motivieren - eventuell auch dazu trainieren -, sie weiterhin wahrzunehmen, so lässt sich mit dem Hinweis darauf auch diese Frage befriedigend beantworten. Lebt er dagegen allein, so kann man nur gemeinsam mit ihm nach einer Antwort suchen oder einen Seelsorger oder einen Logotherapeuten aus der Franklschen Schule einschalten ( vgl. ergänzend 3.5 ).

   

1.2 Die häufigsten Augenkrankheiten im Alter
  

Wer Senioren beruflich begegnet, sollte einige Bezeichnungen von Krankheiten und einige Gefahren kennen, die dem Auge drohen:

 

1.2.1 Der graue Star (die Katarakt)
 

Er ist eine teils langsam, teils rasch fortschreitende Linsentrübung, die auch zu einer starken Blendung führen kann. Ihr kann durch den Einsatz einer künstlichen Linse begegnet werden. Ihr Klient kann hoffen, nach einer solchen Operation wieder gut zu sehen, wenn sich nicht nach Entfernung der Linse herausstellt, dass er auch an einer anderen Augenkrankheit leidet. Er sollte die Operation vornehmen lassen, sobald seine Lebensqualität durch die Trübung beeinträchtigt wird. Sonst lässt seine geistige Fitness nach. Lebt Ihr Klient nicht allein, sondern wird in den ersten Tagen zu Hause versorgt, so wird der Eingriff heute in der Regel ambulant durchgeführt. Im Übrigen verweise ich auf die Website der Initiative Grauer Star.

  

1.2.2 Der grüne Star (das Glaukom)
  

Er ist eine schleichend entstehende Einschränkung des Gesichtsfeldes von den Rändern her, die Ihr Klient erst bemerkt, wenn er etwa eine Stufe oder einen herabhängenden Ast übersieht oder ein von der Seite herannahendes Fahrzeug erst spät erkennt. Die Einschränkung kann auf zu hohem Augeninnendruck, aber auch auf anderen Umständen, wie etwa Durchblutungsstörungen, beruhen. Da der Augeninnendruck nicht in allen Fällen erhöht ist, muss jeweils auch der Augenhintergrund sorgfältig untersucht werden. Eine bereits eingetretene Einschränkung des Gesichtsfeldes ist zwar irreparabel, aber ihr Fortschreiten lässt sich im Allgemeinen medikamentös aufhalten.
  

Verspürt Ihr Klient bereits eine Sehverschlechterung, so ist der bis dahin entstandene Schaden irreparabel.
  

Alles das brauchen Sie freilich Ihrem Klienten, da er bereits einen Augenarzt konsultiert, nicht zu sagen. Ich erwähne es hier nur für Sie persönlich.
 

Diese schleichende Form darf nicht verwechselt werden mit dem akuten Glaukomanfall, der mit heftigen Schmerzen und Sehverlust einhergeht und bei dem man sofort einen Augenarzt aufsuchen muss. Ergänzend verweise ich auf den Beitrag von Herrn Prof. Dr. Lieb in Anhang 4 (Diese Datei existiert leider nicht mehr.) zu meinem Ratgeber für erfolgreiches Altern.

 

1.2.3 Netzhautablösung
  

Als eine solche bezeichnet man eine Ablösung der Netzhaut von ihrer Unterlage, der Aderhaut. Auch die Netzhautablösung kann zur Erblindung führen. Wer ohne Grund Blitze oder Punkte, Fäden, Spinnweben oder Schleier sieht, muss sofort zum Arzt.

   

1.2.4 Diabetische Retinopathie
  

Sie ist die Auswirkung des Diabetes auf das Auge mit Gefäßveränderungen, Blutungen, Ablagerungen und Ödemen. Je gesünder sich Ihr Klient ernährt, je mehr Gymnastik er treibt, um Übergewicht zu vermeiden (Ein Programm dafür findet er als "Treiben Sie Ganzkörpertraining" in Teil 3 meines Ratgebers für erfolgreiches Altern) und je genauer er die Dreimonatsfrist zur Messung des durchschnittlichen Blutzuckers einhält, umso eher kann er der Verschlechterung dieser Krankheit vorbeugen. Trotzdem sollte er regelmäßig seinen Augenarzt aufsuchen und ihm, wenn er das aus anderen Gründen tut, unaufgefordert sagen, auch Diabetes zu haben.
  

Nimmt seine Sehkraft gleichwohl soweit ab, dass er seinen Blutzucker nicht mehr selbst messen und Insulin nicht mehr selbst spritzen kann, so sollte er sich ein sprechendes Blutzuckermessgerät verordnen, von der Krankenkasse genehmigen und sich von Frau Diana Droßel, selbst blind und zuckerkrank (Tel.: 02403 / 785202, E-Mail: diana.drossel@blindentips.info ), beraten lassen, welches gegenwärtig das geeignetste ist. Im "Wartezimmer", das er bei der Aktion Tonbandzeitung für Blinde (Tel.: 05531 / 7153, E-Mail: atz@blindenzeitung.de ) abonnieren kann, stellt Frau Droßel allmonatlich neue Hilfsmittel vor und gibt sonstige Ratschläge. Er sollte außerdem von der Westdeutschen Blindenhörbücherei das Diabetesjournal abonnieren.

  

1.2.5 Altersbedingte Maculadegeneration (AMD)
  

Die Macula ist auf der Netzhaut die Stelle des besten Sehens ("gelber Fleck"). Die MD ist die heute am weitesten verbreitete Augenkrankheit im Alter. Sie verläuft entweder sehr schnell ("feuchte") oder allmählich ("trockene MD) und führt zu einem erheblichen Sehverlust in der Mitte der Netzhaut, mit Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Wahrnehmen von Gesichtern, während selbst in fortgeschrittenem Zustand Umrisse und von der Seite sich nähernde Fahrzeuge noch wahrgenommen werden. Einzelheiten findet Ihr Klient in den Abhandlungen von Prof. Dr. Lieb und Frau Oberärztin Dr. Stamm, Anhänge 5 und 6 (Diese Datei existiert leider nicht mehr.) zu meinem Ratgeber für erfolgreiches Altern, in Anhang 6 außerdem Ratschläge zum Leben mit Maculadegeneration. Hat er feuchte Maculadegeneration, so findet er Hinweise zu neuesten Therapien und zum mündigen Umgang mit seinem Arzt unter www.dbsv.org/makula. Die trockene MD ist gegenwärtig noch nicht behandelbar. Lutein und Zeaxanthin im grünen Gemüse, das Tragen einer Sonnenbrille und nicht zu rauchen, können ihr jedoch vorbeugen und damit auch ihr Fortschreiten verlangsamen.

  

1.2.6 Augeninfarkt
  

Der Augeninfarkt, umgangssprachlich auch als Sehsturz bezeichnet, ist der Verschluss einer die Sehnerven versorgenden Arterie. Der Sauerstoffmangel führt zu einer Schädigung der Nervenfasern, die eine plötzliche Sehverschlechterung zur Folge hat. Im Falle einer akuten Sehminderung ist sofort ein Augenarzt zu kontaktieren.

 

1.2.7 Vorsorglicher Augenarztbesuch von Heimbewohnern
 

Aus allen diesen Gründen sollten Heimleitungen den jeweils nächsten vorsorglichen Augenarztbesuch vormerken und die Heimbewohner rechtzeitig daran erinnern.
  

Für weitere Informationen über die vorerwähnten und über andere, im Alter öfter als in jüngeren Jahren auftretende Augenkrankheiten gibt es gute Fachliteratur, die sich aber wegen der Intensität der Forschung und der Schnelligkeit der Entwicklung stets auf dem neuesten Stand befinden sollte. Außerdem kann, wer einem Betroffenen sachverständig zuhören will, dessen Augenarzt anrufen, wenn der Patient diesen von der Schweigepflicht entbindet.

 

1.2.8 Was, wenn eine Brille nicht mehr ausreicht?
  

Reicht eine Brille für den Betroffenen nicht mehr aus, so lesen Sie die Hinweise zur optimalen Nutzung des Sehvermögens im Anhang zu diesem Ratgeber.

  

  

 
Weiter im Text
  
Zurück zum Inhaltsverzeichnis

  

  

 

 

 



.